Eltern
Exkursion
Klassenlager
Schulische Integration

Kostenbeteiligung der Eltern nicht zulässig

Der Kanton Thurgau wollte mit zwei Regelungen im Volksschulgesetz die Eltern dazu verpflichten, Beiträge für Deutschkurse sowie für Exkursionen und Lager ihrer Kinder zu bezahlen. Das Bundesgericht hat nun die Bestimmungen aufgehoben, da sie mit der Bundesverfassung unvereinbar sind. Der LCH begrüsst den Entscheid.

Bild: Schweizerisches Bundesgericht

Der Grosse Rat des Kantons Thurgau hatte 2015 zwei Änderungen des Volksschulgesetzes verabschiedet. Demnach sollten Schülerinnen und Schüler in besonderen Fällen zum Besuch von Sprachkursen verpflichtet werden können. Die Eltern hätten einen Teil der für solche Kurse anfallenden Kosten sowie für allfällige Dolmetscherdienste übernehmen sollen. Weiter sollten Schulgemeinden bei den Erziehungsberechtigten Beiträge für obligatorische Klassenverlegungen, Exkursionen oder Lager einfordern können.

Verstoss gegen die Verfassung

Vier Privatpersonen erhoben gegen diese neuen Regelungen, die am 1. August 2016 in Kraft traten, Beschwerde beim Bundesgericht. Sie machten geltend, dass die Bestimmungen gegen Art. 19 der Bundesverfassung verstiessen, also gegen das Recht auf einen ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterricht. In seinem Urteil kommt das Bundesgericht zum Schluss, dass die beiden Regelungen mit Art. 19 nicht zu vereinbaren sind. Aus diesem Grund hat das Bundesgericht die Beschwerde gutgeheissen und die angefochtenen Bestimmungen aufgehoben.

Chancengleichheit wahren

Die verfassungsmässige Garantie eines unentgeltlichen Grundschulunterrichts bezweckt auch die Chancengleichheit bei der Ausbildung, schreibt das Bundesgericht in seiner Medienmitteilung vom 29. Dezember 2017. «Erachtet eine Schule einen Sprachkurs für ein Kind als notwendig, damit es ein ausreichendes Bildungsangebot erhält, darf sie deshalb keine finanzielle Beteiligung von den Eltern verlangen.» Aus demselben Art. 19 ergibt sich laut dem Bundesgericht auch, dass alle notwendigen und unmittelbar dem Unterrichtszweck der Grundschule dienenden Mittel unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden müssen. Dazu gehören auch Aufwendungen für Exkursionen und Lager, sofern eine Pflicht zur Teilnahme besteht. Die Schulgemeinden dürfen den Eltern einzig diejenigen Kosten in Rechnung stellen, die diese aufgrund der Abwesenheit ihrer Kinder einsparen, also nur die Verpflegungskosten, die je nach Alter des Kindes zwischen 10 und 16 Franken pro Tag betragen.

Eltern mit Integrationsvereinbarungen in die Pflicht nehmen

Beat W. Zemp, Zentralpräsident LCH, rechnet zwar damit, dass nun das eine oder andere Lager nicht mehr durchgeführt werden könne. «Das ist natürlich schade», sagte er gegenüber der «NZZ am Sonntag». Für ihn ist aber der Bundesgerichtsentscheid ein starkes Zeichen für die unentgeltliche Volksschule: «Er schiebt dem Trend, immer mehr Kosten auf die Eltern zu überwälzen, ein Riegel vor.» Die Kostenbeteiligung der Eltern am Deutschunterricht wäre einer Strafe gleichgekommen und sei damit der falsche Ansatz. «Man muss das Problem über Integrationsvereinbarungen mit den Eltern lösen», meint Zemp. Er fordert auch kostenlose Angebote für fremdsprachige Kinder im Vorschulalter wie beispielsweise Spielgruppen, in denen sie Deutsch lernen könnten. 

Datum

03.01.2018

Autor
Maximiliano Wepfer

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