Nicht alle wollen schweizweit vier Jahre bis zur Matura

In drei Kantonen dauert der Besuch der Gymnasialstufe nur drei Jahre. Damit der Abschluss schweizweit vergleichbarer wird, soll er künftig überall vier Jahre dauern. Doch es gibt Widerstand.

Einige Kantone wehren sich gegen die Mindestdauer von vier Jahren für die gymnasiale Ausbildung. Foto: lilartsy / unsplash

Bund und Kantone wollen die gymnasiale Ausbildung besser nach den heutigen Bedürfnissen ausrichten. Auch Maturitätszeugnisse sollen dabei schweizweit gleichwertig werden. Dafür soll im Rahmen der «Weiterentwicklung der gymnasialen Matur» (WEGM) unter anderem die Dauer der gymnasialen Ausbildung vereinheitlicht werden. Während die Mindestdauer in den meisten Kantonen vier Jahre beträgt, sind es im französischsprachigen Bern, in Neuenburg, im Jura und in der Waadt derzeit nur drei Jahre.

«In diesen Kantonen ist heute eine gymnasiale Ausbildung in drei Jahren möglich, da das letzte Jahr der Sekundarstufe I als ‹gymnasiale Vorbildung› anerkannt wird», antwortet ein Sprecher der Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) zusammen mit dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) auf Anfrage von BILDUNG SCHWEIZ. «Die Mindestdauer der gymnasialen Ausbildung soll künftig auch in diesen Kantonen auf vier Jahre vereinheitlicht werden.» 

Widerstand gegen vier Jahre 

Von den drei betroffenen Regionen ist jedoch nur der Kanton Waadt zu einer Anpassung bereit. Dies geht nach der Vernehmlassung der Revisionsentwürfe für die WEGM aus der über 800-seitigen Liste aller Stellungnahmen hervor. Warum wehren sich Neuenburg, Jura und das französischsprachige Bern gegen die Harmonisierung? 

«Eine Änderung der Mindestdauer ist mit grossen Kosten verbunden», sagt Lucius Hartmann, Präsident des Vereins Schweizerischer Gymnasiallehrerinnen und Gymnasiallehrer (VSG). «Es braucht zusätzliche Infrastruktur und mehr Lehrpersonal. Ausserdem ist das aktuelle Bildungsmodell in den Kantonen schon länger im Einsatz – da ist man wenig begeistert, wenn man es von Grund auf ändern muss.» 

Nach dem bisherigen System werden die Schülerinnen und Schüler in den betroffenen Kantonen bis Ende der Sek I gemäss dem PER (Plan d'études Romand) unterrichtet. Dieser weist aber keine spezifischen Kompetenzen für Gymnasiastinnen und Gymnasiasten aus, wie Hartmann ausführt. Wenn die Lernenden danach die gymnasiale Ausbildung beginnen, müssen sie die Vorgaben des auf vier Jahre ausgelegten Rahmenlehrplans in nur drei Jahren erfüllen. «Dies bringt sehr volle Stundenpläne mit sich und birgt die Gefahr von Oberflächlichkeit», sagt Hartmann.

Die schweizweite Mindestdauer hat noch Chancen

Es sei schwierig einzuschätzen, ob die schweizweit harmonisierte Mindestdauer der gymnasialen Ausbildung nun in Gefahr ist wegen des Widerstands. Doch der Bund habe ein grosses Interesse an einer Erhöhung der Vergleichbarkeit der Abschlüsse, sagt Hartmann. «Und weil der Kanton Waadt bereits beschlossen hat, seine Ausbildungsdauer anzupassen, hat die schweizweite Harmonisierung unterdessen bessere Chancen.»

Nach der Vernehmlassung zeigt sich, dass auch andere Punkte der WEGM noch Diskussionsbedarf haben, etwa die Anpassung des Katalogs an Schwerpunktfächern oder die Festlegung der Prüfungsfächer. Doch gab es gemäss Hartmann bei vielen Änderungen bereits Zustimmung. Dazu gehören etwa die neuen Massnahmen zur Chancengerechtigkeit, zur Studien- und Laufbahnberatung, zum Sozialpraktikum oder dass der musische Lernbereich sowie die Geistes- und Sozialwissenschaften leicht gestärkt werden.

Welche Punkte der Reform tatsächlich umgesetzt werden, wird sich im Juni 2023 zeigen. Dann ist der Entscheid von EDK und Bund geplant.

Datum

21.12.2022

Autor
Kevin Fischer