Bilaterale erhalten, Arbeitsplätze schützen

Noch ist nicht klar, in welcher Art die sogenannte «Masseneinwanderungs-Initiative» der SVP umgesetzt wird. Dennoch geht es jetzt schon darum, Arbeitsplätze und Löhne möglichst zu sichern. Die Parlamentarische Gruppe für Arbeit, in der sich auch der LCH engagiert, machte dies am 1. Dezember in Bern zum Thema. 

Der Informationsaustausch zwischen den Verbänden der Ebenrainkonferenz (Allianz der Arbeitnehmenden) und den politischen Parteien ist Zweck der Parlamentarischen Gruppe für Arbeit. Der LCH ist seit deren Gründung im Jahr 2004 dabei. LCH-Zentralpräsident Beat W. Zemp, Vorsitzender der Ebenrain-Konferenz, leitet die Gruppe in Zusammenarbeit mit dem Präsidenten, einem Parlamentarier. Neu gewählter Präsident ist SP-Nationalrat Beat Jans aus Basel-Stadt. Er folgt dem Walliser Nationalrat Stéphane Rossini (ebenfalls SP), der das Amt 2012 bis 2015 innehatte und zu den Wahlen im Oktober nicht mehr antrat.

Weder Sicherheit, noch Klarheit
«Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative: Wie können die Arbeitslplätze und die Löhne in der Schweiz gesichert werden?» So stand es auf der Einladung zur ersten Sessionsveranstaltung der Parlamentarischen Gruppe für Arbeit in der neuen Legislaturperiode. Das Thema war brisant, die Fragen drängend, die rund 60 Teilnehmenden so prominent wie kompetent – doch Antworten dazu gab es nicht. «Wer sich Sicherheit und Klarheit wünscht, den muss ich enttäuschen», sagte Hauptreferent Mario Gattiker, Direktor des Staatssekretariats für Migration. Im ersten Quartal des nächsten Jahres werde die Botschaft des Bundesrates zur Umsetzung erwartet.

In der Vernehmlassung hat sich eine grosse Mehrheit für die Beibehaltung der Bilateralen Verträge ausgesprochen. Doch was, wenn Brüssel nicht Hand bietet zu Einschränkungen der Personenfreizügigkeit? Dann wird es sehr eng für die Schweizer Exportwirtschaft, die schon am Frankenkurs hart zu beissen hat. Intensive Kontakte mit der EU sind im Gange, doch erwähnte Staatssekretär Gattiker auch, dass diese mit der Flüchtlingskrise und der Austritts-Drohung Grossbritanniens zurzeit andere Prioritäten hat als mit der Schweiz eine Einigung zu finden. Mit der eingereichten RASA-Initiative, die das knappe Resultat vom 9. Februar 2014 rückgängig machen will, ist nun noch eine weitere Ungewissheit im Spiel – je nach Standpunkt positiv oder negativ.

Dass der Bundesrat schon drei Tage später mit der Idee einer «Schutzklausel» vor die Medien treten würde, mit der er die Initiative umsetzen und die Bilateralen retten will – das wusste Gattiker ziemlich sicher schon, durfte es aber wohl nicht verraten. Als Teilnehmer der Sessionsveranstaltung konnte man sich beim Hören dieser Nachricht trotzdem ein wenig für dumm verkauft vorkommen. An der grundsätzlichen Unsicherheit ändert die Absicht des Bundesrates freilich nichts.

Weniger Regeln oder mehr Kontrollen?
Abgesehen vom Festhalten an den Bilateralen Verträgen ist man sich vorwiegend uneinig. Der Arbeitgeberverband, vertreten durch Daniela Lützelschwab, meinte: «Zur Sicherung guter Arbeitsplätze für die Arbeitnehmenden braucht es zwingend auch gute Rahmenbedingungen für die Unternehmen.» Die herrschende Tendenz zur Überregulierung des Arbeitsmarktes sei eine «enorme Gefahr» für die Arbeitsplätze in der Schweiz.

Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, hingegen meinte: «Die Bilateralen müssen erhalten bleiben, aber sie müssen den Arbeitnehmenden nützen.» Es brauche nicht weniger, sondern mehr Kontrollen, um Dumpinglöhne und missbräuchliche Arbeitsbedingungen zu bekämpfen. Im Übrigen, so Lampart, dürfe die Schweiz zum Schutz ihres Arbeitsmarktes auch im Rahmen der Freizügigkeit alles tun – nur nicht nach Staatsangehörigkeit diskriminieren.

Sonderfall Tessin
Mit einer besonderen Situation kämpft der Kanton Tessin, wie an der Sessionsveranstaltung Staatsrat Christian Vitta (FDP) klar machte. Kurz nach Einführung der Personenfreizügigkeit kam die Finanzkrise, womit sich das wirtschaftliche Gefälle zwischen dem Tessin und der italienischen Nachbarschaft dramatisch zunahm. Die Zahl der Grenzgänger nahm von 40'000 auf über 60'000 zu; ein Viertel der Arbeitnehmenden im Kanton sind Grenzgänger, die «billiger» arbeiten und Einheimische verdrängen. Vor diesem Hintergrund sei es verständlich, dass im Tessin rekordhohe 68,2 Prozent der Masseneinwanderungs-Initiative zugestimmt hätten. «Der Kanton Tessin möchte, dass bei der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative seiner Sichtweise Rechnung getragen wird», hielt Christian Vitta fest. Deshalb habe die Kantonsregierung der ETH Zürich den Auftrag erteilt, das Konzept einer regionalen Arbeitsmarkt-Schutzklausel zu entwickeln. Im nächsten Frühjahr soll das Papier veröffentlicht werden.

Text: Heinz Weber

Bild: Stéphane Rossini, bisheriger Präsident der Parlamentarischen Gruppe für Arbeit (links), rechts sein Nachfolger Nationalrat Beat Jans. In der Mitte Beat W. Zemp, LCH-Zentralpräsident und Vorsitzender der Ebenrain-Konferenz.

Datum

07.12.2015