Integration vor Religionsfreiheit

Integration ist höher zu gewichten als Religionsfreiheit: Mit dieser Begründung wies der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Klage muslimischer Eltern aus Basel ab. Diese hatten ihre Töchter aus religiösen Gründen nicht am Schwimmunterricht teilnehmen lassen wollen. Der LCH begrüsst das Urteil. 

Im August 2008 besuchten an einer Primarschule in Basel ein sieben- und ein neunjähriges Mädchen den Schwimmunterricht in der Schule nicht. Die Eltern beriefen sich auf religiöse Gründe. Für das Fernbleiben der Kinder vom obligatorischen Unterrichtselement büsste die Schulbehörde sie letztlich. Dagegen wehrten sich die Eltern vergeblich, zuletzt vor Bundesgericht. Das Ehepaar klagte dann wegen Verletzung der Religionsfreiheit am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte EGMR in Strassburg – und scheiterte damit. Der EGMR hält in seinem am 10. Januar publizierten Urteil fest, dass das Interesse an der Integration der beiden Kinder und damit am Besuch sämtlicher schulischer Fächer höher zu gewichten sei als die privaten Interessen der Eltern.

Rechtliche Klarheit geschaffen
Jürg Brühlmann, Leiter Pädagogik LCH, begrüsst im Gespräch mit Schweizer Radio SRF insbesondere, dass mit dem Urteil für die Schulen in der Schweiz klar ist, was gilt. Er ergänzt: «Für die Integration ist es wichtig, dass es in der Schweiz nicht zu viele Ausnahmen gibt, die nicht nötig sind. Eine Schule ist – wie ein Verein auch – ein Ort in der Schweiz, an dem man Sitten und Gebräuche kennenlernt. Ich denke, es gehört dazu, dass man beim Schwimmunterricht mitmacht.» Der LCH hält in seinem 2008 veröffentlichten Positionspapier «Die öffentliche Schule und die Religionen» fest: «Die Teilnahme am Schwimmunterricht ist obligatorisch, wenn dieser im Rahmen des Sportunterrichts stattfindet und im Lehrplan vorgesehen ist. Dispensationen aus religiösen Gründen können dann grundsätzlich nicht gewährt werden.» Im Einzelfall könnten manchmal allseitig vertretbare Lösungen gefunden werden etwa im Bereich der Badebekleidung. «Wichtig ist, dass bei Sonderlösungen die Klassen über die religiösen Hintergründe sachlich und respektvoll informiert werden, um Ausgrenzungen zu verhindern.»

Positiv äussert sich auch Bernard Gertsch, Präsident des Verbands der Schulleiterinnen und Schulleiter, zum aktuellen Urteil. In einem Interview mit Schweizer Radio SRF sagt er: «Es ist eine grosse Erleichterung. Das Urteil stärkt uns den Rücken. Wir wissen jetzt, dass wir etwas fordern, das auch rechtlich legitim ist.» Christoph Eymann, Basler Erziehungsdirektor, fühlt sich durch das Urteil bestätigt darin, richtig gehandelt zu haben und sorgfältig mit Kindern aller Religionsgemeinschaften umzugehen. Gegenüber Radio SRF sagt er: «Das ist eine Erleichterung. Das Gericht hat gewürdigt, dass wir mit diesen Eltern in den Dialog getreten sind und Flexibilität gezeigt haben bezüglich der Badebekleidung, aber auch, dass wir die Volksschule als Klammer um die ganze Bevölkerung sehen, gleich, welcher Religion jemand angehört. Das ist uns sehr wichtig.» (Radio SRF/dc)

Weitere Informationen
Positionspapier LCH: Die öffentliche Schule und die Religionen

Datum

11.01.2017