Lehrmittel

Was gelehrt und gelernt wird

Wie haben sich die Inhalte von Lehrmitteln und Lehrplänen in den letzten 150 Jahren verändert und wer hatte darauf Einfluss? In einem vom Schweizerischen Nationalfonds SNF finanzierten Projekt haben Forschende dies anhand von zehn Kantonen rekonstruiert und analysiert.

Das interdisziplinäre Forschungsprojekt «Transformation schulischen Wissens seit 1830» zeigt erstmals über die Landesteile vergleichend auf, wie sich die Wissensordnung der Schule und die Zuordnung von Zeitressourcen zu einzelnen Fächern seit 1830 verändert haben. Finanziert wurde es vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF). In der begleitenden Medienmitteilung des SNF vom 19. Januar 2017 steht beispielsweise, dass Knabenhandarbeit, also «Werken», im Gegensatz zu Mädchenhandarbeit erst Ende des 19. Jahrhunderts entstanden sei – im Zuge einer Wirtschaftskrise. «Verändert hat sich nicht nur der Fächerkanon und was in den Fächern gelehrt und gelernt wird. Die Forschenden kommen auch zum Schluss, dass die Reformpädagogik, die generell als Phase der grossen pädagogischen Innovationen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts gilt, auf diese Veränderung keinen grossen Einfluss hatte», ist in der Mitteilung weiter zu lesen. Wesentlich einflussreicher gewesen sei der Aufschwung der Naturwissenschaften im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts.

Einfluss der Lehrerinnen und Lehrer
Verstärkt worden seien die Bezüge zur Wissenschaft zwischen 1960 und 1980: zu den fachwissenschaftlichen Bezugsdisziplinen der Schulfächer seien neu auch die Sozialwissenschaften, also Erziehungswissenschaft und Psychologie hinzugekommen. Dadurch habe sich auch die Bedeutung unterschiedlicher Akteure verändert, die die schulische Wissenspolitik bestimmen würden. Gesamtprojektleiter Lucien Criblez wird dazu in der Mitteilung zitiert: «Haben vorher Schulinspektoren und Seminardirektoren bestimmt, welche Inhalte wie unterrichtet werden sollen, wird dies nun stärker durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, aber auch durch Lehrerinnen und Lehrer beeinflusst.» Bezüglich Lehrplänen findet sich in den Zusatzinformationen zum Projekt folgende Aussage: «Lehrpläne werden mit der Zeit von immer grösseren Kommissionen auf einer breiten Vernehmlassungsbasis erstellt; insbesondere Lehrpersonen werden immer stärker involviert. Zuerst als Listen von zu unterrichtenden Inhalten erstellt, dominieren nach 1980 umfangreiche Lehrpläne mit Zielformulierungen und didaktischen Hinweisen.»

Ständiger Aushandlungsprozess
Die historische Beschäftigung mit dem, was in der Schule gelehrt und gelernt werden soll, und mit den Legitimationen der schulischen Wissensordnung zeige auf, dass die Schule grundlegende gesellschaftliche Aufgaben wahrnehme, also eine Funktion der Gesellschaft sei. «Das schulische Programm und die schulische Wissensordnung ist dabei einem ständigen Aushandlungsprozess unterworfen», wird Criblez zitiert. Das schulische Programm und die schulische Wissensordnung sei einem ständigen Aushandlungsprozess unterworfen. Und dieser ist gemäss dem Projektleiter letztlich abhängig vom historischen Kontext, von den gesellschaftlichen Erwartungen an Schule – und den politischen Mehrheitsverhältnissen. (pd)

Weitere Informationen
Medienmitteilung des Schweizerischen Nationalfonds vom 19.01.2017: Was die Schule lehren soll, ist ein Abbild gesellschaftlicher Erwartungen
Zusatzinformation: Ausgewählte Resultate nach Fachgebiet und Sprachregion

Datum

23.01.2017

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