Zunehmend verlangen Firmen heute digitale Bewerbungsunterlagen. Vor allem Grossfirmen setzen vermehrt Algorithmen ein, welche die Unterlagen auswerten und eine Vorselektion treffen. Nur wer es durch diesen automatischen Filter schafft, wird möglicherweise für ein Bewerbungsgespräch eingeladen. Andere Firmen gehen sogar noch weiter und setzen intelligente Chatbots ein, die gleich selbst ein Bewerbungsgespräch führen können, während andere die Mimik von Bewerbenden in Videogesprächen analysieren.
Es ist jedoch erstaunlich wenig bekannt darüber, welche Firmen bereits solche Auswertungsalgorithmen einsetzen und nach welchen Kriterien diese Algorithmen arbeiten. Befürworter heben hervor, dass Algorithmen schnell und objektiv arbeiten. Kritiker beklagen die fehlende Transparenz und dass der Mensch auf wenige, einfach vergleichbare Messwerte reduziert wird. Es sind schon verschiedene Fälle aufgedeckt geworden, in denen Algorithmen Bewerbende aufgrund des Geschlechts diskriminiert haben.
Ausser dem Geschlecht könnten auch Noten diskriminierend eingesetzt werden. Es wäre denkbar, dass nur Bewerbende mit Bestnoten automatisch ausgewählt werden. Eine Studie von Margrit Stamm hat jedoch gezeigt, dass eine Mehrzahl der Siegerinnen und Sieger von Berufsmeisterschaften keine besonders gute Sek-I Schulnoten hatte. Selbst Albert Einstein hatte nicht nur Bestnoten. Dies zeigt, dass Erfolg im Berufsleben nicht nur von Schulnoten, sondern stark auch von Persönlichkeitsmerkmalen wie Resilienz, Disziplin, Teamfähigkeit und einer schnellen Auffassungsgabe abhängt.
Alle Akteure sind hier gefordert. Arbeitgeber sollten Bewerbende ganzheitlich betrachten und Bewertungskriterien offenlegen. Die Politik ist gefordert, Stellenbewerbende vor Diskriminierung durch Algorithmen zu schützen. Der LCH setzt sich dafür ein, dass Schulen die Ressourcen erhalten, um Lernende auf die digitale Welt vorzubereiten und um zu vermitteln, wie Algorithmen funktionieren (Computational Thinking).