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Fake News – ein ergiebiges Unterrichtsthema!

Das Sprichwort «Lügen haben kurze Beine» und das Gebot «Du sollst nicht lügen» haben heute angesichts der vielen Fake News nicht mehr die gleiche Glaubwürdigkeit wie früher. Wenn zum einen sogar Staatspräsidenten Fake News als politisches Kommunikationsmittel einsetzen und es zum anderen Parteien und Musiker gibt, die öffentlich den Holocaust leugnen, verharmlosen oder gar verherrlichen, ist es höchste Zeit, die Suche nach Wahrheit mittels Faktenrecherche im Internet an den Schulen zum Unterrichtsthema zu machen.
 

Digital Natives sind praktisch überall und ständig online, haben für alle Lebenslagen die passenden Apps zur Hand und beherrschen das Internet wie das kleine Einmaleins – so die landläufige Meinung über die junge Generation, die mit Smartphones und Internet aufgewachsen ist. Doch nun zeigen gleich mehrere Studien, dass es mit den «digital skills» der Jungen nicht weit her ist, wenn es darum geht, seriöse Informationen im Internet zu recherchieren. Gibt es zu einem Suchbegriff keinen Wikipedia-Artikel oder kursieren zu einem Thema viele Fake News, dann sind viele Schülerinnen und Schüler überfordert. Sie haben keine Suchstrategien, wie sie zu den richtigen Informationsquellen kommen oder aus ihrer Filterblase aussteigen können. Dass ein Algorithmus im Hintergrund Informationen aufgrund ihres Nutzerprofils sortiert, ist vielen Digital Natives nicht bewusst. Sie haben sich daran gewöhnt und hinterfragen Resultate von Suchanfragen nicht.

Wenn aber die Fähigkeit, Informationen zu prüfen, nicht mehr vorhanden ist, haben wir ein Problem. In einer Demokratie ist es wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger sich eine eigene Meinung bilden aufgrund von Fakten, damit sie die Folgen ihres Entscheides abschätzen können. Daher gehört das Suchen und Verifizieren von Informationen zu den grundlegenden Kompetenzen, die gemäss Lehrplan 21 im Modul «Medien und Informatik» erworben werden müssen.

Als ich vor einigen Jahren von einem Weltkongress der Education International zurück in die Schweiz flog, sass neben mir ein chinesischer Student, der eine Ausbildung an einer Schweizer Hotelfachschule absolvieren wollte. Im Verlauf des Gesprächs über Politik und Demokratie erzählte ich ihm vom Tian’anmen-Massaker im Juni 1989. Er hatte noch nie davon gehört und konnte sich nicht vorstellen, dass das chinesische Militär mit Panzern die studentische Demokratiebewegung niederschlug. Ich gab ihm meine Visitenkarte und riet ihm, im nicht zensierten Internet an der Schweizer Hotelfachschule zu recherchieren. Drei Wochen später kam eine E-Mail von ihm, in der er mir dankte und schrieb, er kenne nun die Wahrheit und werde diese an seine chinesischen Kolleginnen und Kollegen an der Hotelfachschule weitergeben. Die Recherche im Internet habe ihm die Augen geöffnet.

Dennoch ist das Ergebnis einer Recherche im Internet nicht immer so klar wie in diesem krassen Fall von Zensur. Oftmals muss man selber abschätzen, ob eine Aussage wahr oder falsch ist. Zudem kursieren Halbwahrheiten, Hypothesen, Mutmassungen und Verschwörungstheorien zu fast allen wichtigen Themen, sobald politische oder wirtschaftliche Interessen von Grossmächten damit verbunden sind. Die Bücher des Schweizer Historikers Daniele Ganser über illegale Kriege der Nato und seine kontrovers diskutierten Thesen zu den «9/11-Terroranschlägen» geben Anlass zu Spekulationen über ganz andere Hintergründe. Und seit die Beraterin von Präsident Trump den Begriff der «alternativen Fakten» eingeführt hat, um eine offensichtliche Falschaussage des Pressesprechers des Weissen Hauses über die Amtseinführung von Donald Trump zu kaschieren, reisst die Debatte um Fake News nicht mehr ab.

Wenn aber Rapper den Massenmord an Juden verharmlosen und dafür auch noch einen Preis erhalten, so muss man sich nicht wundern, wenn Schülerinnen und Schüler schon im Primarschulalter mit Fragen an die Lehrpersonen gelangen und wissen wollen, was der Holocaust ist. Auch dazu kursieren leider viele Unwahrheiten im Internet. Das neue Lehrmittel von Christian Mathis von der PHZH und Urs Urech von der PH FHNW bietet dagegen eine altersgerechte Annäherung an das Thema, ohne die ganze Wahrheit über die Gräueltaten des Naziregimes den Primarschülern zuzumuten. Diese wird dann gemäss Lehrplan 21 erst auf der Sekundarstufe vermittelt, so dass Holocaust-Lügner möglichst keine Anhängerschaft erhalten.

Datum

02.05.2018

Autor
Beat W. Zemp

Publikation
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