Meine beiden Enkelkinder sind ein paar Wochen alt. Die Medizin prophezeit ihnen eine Lebenserwartung von 95 bis 100 Jahren. Nach heutigem Muster werden sie 40 Jahre in ihr Erwerbsleben investieren und 30 bis 35 Jahre in den Ruhestand. Um ihre Pensionierung finanzieren zu können, müssten sie gut 40 Prozent ihres Lohnes für ihre Altersvorsorge verwenden. Nebst den Auslagen für die Krankenkasse, das Wohnen und die Steuern würde ihnen nicht mehr viel fürs Leben bleiben. Das tönt nicht gut. Als einziger Ausweg bleibt ihnen, die Zeit des Arbeitens zu verlängern und den Ruhestand zu verkürzen. Arbeiten bis zum Alter von 70 oder 75 Jahren? Es wird ihnen kaum etwas anderes übrig bleiben.
Diese Lösung ist einfach und mathematisch richtig. Nur: Passt sie auch zu den Menschen? Ich bin nun 65 Jahre alt und fühle mich eigentlich gesund. Aber wenn ich mir vorstelle, ich müsste jetzt noch die Leistung erbringen, die ich bis zu meiner Pensionierung erbracht habe, gibt es für mich nur eine Antwort: Nicht leistbar! Die Wirtschaft, ob privat oder öffentlich, muss sich heute ernsthaft daran machen, altersgemässe Arbeitsplätze und Arbeitsformen zu entwickeln. Einfach zu fordern, das Rentenalter zu erhöhen, reicht nicht.
Für die Schule scheinen altersgemässe Anstellungen kein Problem zu sein: die alten Lehrerinnen und Lehrer reduzieren ihr Pensum, gemäss ihrer individuellen Leistungsfähigkeit. Doch dies ist zu kurz gedacht: Für viele alte Lehrpersonen ist Unterrichten an sich, ob voll- oder teilzeitlich, zu einer Überforderung geworden. Sollten sie also länger als bis 65 arbeiten müssen – und dies wird so kommen, auch wenn wir die Leistungen der AHV richtigerweise erhöhen – dann müssten in der Schule Arbeiten angeboten werden, die weniger belastend sind als das eigentliche Unterrichten.
Einen Lösungsansatz stellt die Einführung von Fachlaufbahnen dar. Ein gutes Fachlaufbahnkonzept bietet eine Palette von verschiedenen und unterschiedlich belastenden Funktionen an. Es ist also auch aus Sicht der kommenden Altersvorsorge dringend notwendig, endlich das zu tun, was der LCH schon seit Jahren fordert: Fachlaufbahnen in der Schule! Allerdings: Sollten die Verantwortlichen in den Kantonen damit noch 95 Jahre warten, wäre dies für meine Enkel eindeutig zu spät.