Aus dem LCH

Wie lässt sich die Zuversicht bei der Berufswahl stärken?

Jugendliche müssen im Berufswahlprozess Rückschläge verdauen. Damit diese sie nicht entmutigen, brauchen sie Fürsprecherinnen und Fürsprecher. Positive Psychologie bietet Ansätze dazu.

Angehende Damenschneiderin während den Berufsmeisterschaften Swissskills in Bern. Die Swissskills sind eine Gelegenheit für Jugendliche zum Kennenlernen von Berufen. Foto: Claudia Baumgartner

Den richtigen Weg zu finden im Leben nach der Schulzeit, ist für Jugendliche sehr anspruchsvoll. Die berufliche Orientierung kommt früh im Leben der jungen Menschen und die Zeit, um herauszufinden, was zu einem passt, ist knapp. Lehrpersonen nehmen in dieser Phase eine wichtige Rolle ein. Die Kommission Berufliche Orientierung des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) sagt in ihren Antworten auf die folgenden fünf Fragen, worauf es ankommt.

Wie wichtig ist die Unterstützung durch Lehrpersonen im Berufswahlprozess?

Soziale Unterstützung durch Lehrkräfte wirkt sich positiv auf die Selbstwirksamkeit aus. Insbesondere für Jugendliche mit wenig oder keiner Unterstützung aus dem Elternhaus in der Berufswahl ist eine Unterstützung durch Lehr- oder Bezugspersonen von besonderer Bedeutung. Wer unterstützt wird, plant besser und ist engagierter. Jugendlichen fällt es so leichter, sich im breiten Angebot der Berufe zurechtzufinden und sich für einen Weg zu entscheiden. Dabei bildet das gute Verhältnis zwischen Lehrperson und den Jugendlichen die Basis.

Ohne Zuversicht lernt es sich nicht gut.

 

Wer es wertvoll findet, Hoffnung, Optimismus und Zukunftsorientierung im Schulzimmer zu verbreiten, ermöglicht den Lernenden ein positives Lernklima. Die Haltung der Lehrperson soll bei den Schülerinnen und Schülern von einem positiven Verhalten, der Bereitschaft zur Leistung und einer optimistischen Menschenentwicklung ausgehen. Am wichtigsten ist es jedoch, den Jugendlichen Hoffnung auf die eigene Entwicklung zu vermitteln. Ohne Zuversicht lernt es sich nicht gut.

Welche Interventionen wirken sich im Berufswahlprozess positiv aus?

Wenn Jugendliche eine Absage auf eine Bewerbung erhalten, zweifeln sie oft an ihren Fähigkeiten oder fühlen sich wertlos. Hilfreich in solchen Krisen ist es, wenn Lehrpersonen gemeinsam mit den Jugendlichen weitere Ziele ausarbeiten und diese verfolgen. Eine Schnupperlehre bietet beispielsweise die Gelegenheit, sich als kompetent und selbstwirksam zu erleben. Wenn die Aufmerksamkeit auf das Positive fokussiert wird, kann eine negative Situation kognitiv umgedeutet werden und somit andere Emotionen auslösen. Dabei spielt das Selbstkonzept eine entscheidende Rolle: Wer sich selbst die Schuld für den Misserfolg gibt, läuft Gefahr, handlungsunfähig zu werden. Es ist deshalb wichtig, wenn Lehrpersonen im Gespräch einen konstruktiven Ton anschlagen: «Es hat jetzt nicht geklappt, beim nächsten Mal wird es klappen, ich glaube an dich und an deine Fähigkeiten.» Das ist ein Aspekt der sogenannten positiven Psychologie.

Was kann positive Psychologie im Fach Berufliche Orientierung bewirken?

Der Unterricht beinhaltet Persönlichkeitsbildung sowie Orientierungswissen zur Bildungs-, Berufs- und Arbeitswelt. In Bezug auf optimale Lernergebnisse gelten dieselben Regeln wie bei allen Schulfächern: Die Motivation der Schülerinnen und Schüler ist auch abhängig vom Enthusiasmus der Lehrperson. Enthusiasmus ist erkennbar an lebendiger und überzeugender Kommunikation (Gestik, Intonation, Blickkontakt, Standortwechsel). Die Motivation beim Lernen ist umso grösser, wenn bei Aufgabestellungen auch Selbstständigkeit und Freiheit ermöglicht wird. Wenn Lehrpersonen hohe, aber erreichbare Leistungserwartungen formulieren und Mitsprache beziehungsweise Mitgestaltung ermöglichen, können Jugendliche in einem sinnbringenden Kontext lernen. Sie erkennen idealerweise, dass es um ihre eigene Zukunft geht.

Weshalb brauchen wir positive Psychologie in der Schule?

Bereits in der Antike befassten sich Philosophen mit dem guten Leben, den Tugenden und dem Studium des Glücks. Der Begriff «positive Psychologie» wurde von Martin Seligman um die Jahrtausendwende wieder aufgegriffen. Diverse Publikationen zeigten in der Folge auf, was Menschen glücklich und zufrieden macht. An einigen Schweizer Schulen wird bereits das Fach «Glück» von ausgebildeten Lehrpersonen vermittelt. Aktuell sind immer mehr Jugendliche von psychischen Problemen betroffen. Auch deshalb sollen Lernende sich über eigene Charakterstärken bewusst werden. Wer um seine Stärken weiss, ist resilienter und weniger anfällig für psychosoziale Krankheiten.

Wie lässt sich positive Psychologie definieren?

Dazu können die fünf Elemente des sogenannten PERMA-Modells dienen: Positive Emotionen ermöglichen uns eine Erweiterung des Denk- und Handlungs-repertoires. Positive Emotionen bauen unsere personalen Ressourcen auf. Engagement und Motivation kommt auf, wenn wir an herausfordernden (nicht über- oder unterfordernden) Aufgaben arbeiten. Relations oder positive Beziehungen werden durch positive Bemerkungen gestärkt. Lob erzeugt Motivation. Meaning oder Bedeutung in einer wertschätzenden, lebensbejahenden Umgebung zu lernen, ermöglicht individuelles Wachstum und ist sinnstiftend. Accomplishment oder Erfüllung führt über die Zuordnung von Ursachen bei Erfolg oder Misserfolg. Das ist entscheidend für das Erreichen weiterer Ziele.

Quellenangabe:
Michaela Brohm und Wolfgang Endres (2017). Positive Psychologie in der Schule: Die «Glücksrevolution» im Schulalltag (2. Aufl.). Beltz-Verlag, Weinheim (D)

Datum

27.12.2023

Autor
Barbara Dautidis, Mitglied Fachkommission Berufliche Orientierung

Publikation
Aus dem LCH