Standpunkte

Abschied vom überholten Begriff der Regelklasse

Die Regelklasse. Der Begriff findet sich in den Medien, bei manchen Politikern und in Dokumenten der Volksschulämter. Doch was ist eine Regelklasse? 

Beat A. Schwendimann, Leiter Pädagogische Arbeitsstelle LCH

Überraschenderweise führen weder der Brockhaus noch der Duden eine Definition des Begriffs Regelklasse. Nur das «Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache» hat einen Eintrag dazu. Dieser definiert Regelklasse als «der von den meisten Schülern (eines Jahrgangs) besuchte und im Bildungssystem als Normalfall angesehene Typ einer Schulklasse». Dies scheint jedoch eine tautologische Definition zu sein, da die Begriffe «Regel» und «Normal» Synonyme sind. Ist eine Regelklasse vielleicht als homogene Klasse von Regelschülerinnen und -schülern, die identischen Regelunterricht erhalten, zu verstehen? 

Nicht zwischen Regel- und Sonderfall unterscheiden

Solch eine idealisierte Vorstellung machte schon vor der Einführung der integrativen Schule keinen Sinn und hat seither noch weiter an Bedeutung verloren. Individuelle Unterschiede unter Schülerinnen und Schüler gab es immer schon – auch in einer Regelklasse. Der Begriff Regelklasse dient höchstens noch der Abgrenzung zur Sonderklasse. Mit der Einführung der integrativen Schule gibt es aber (mit wenigen Ausnahmen) keine Sonderklassen mehr. 

Die Denkweise, zwischen «Regelfall» und «Sonderfall» unterscheiden zu müssen, widerspricht grundsätzlich den Zielen der integrativen Schule. Es ist zielführender stattdessen verschiedene Formen und Stufen der Förderung zu unterscheiden, damit den individuell unterschiedlichen Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler entsprochen werden kann. Integrative Schule kann nur dann gelingen, wenn das ganze System reformiert und die Schule entsprechend ressourciert wird. 

Klasse statt Regelklasse

Der LCH hat schon wiederholt kritisiert, dass vielerorts zu wenig Lektionen für Schulische Heilpädagogik zur Verfügung stehen. Zudem herrscht seit Jahren ein Personalmangel an qualifizierten Schulischen Heilpädagoginnen und -pädagogen, was mancherorts dadurch kaschiert wird, dass unqualifizierte Personen diese wichtigen und anspruchsvollen Aufgaben ausführen.

BILDUNG SCHWEIZ hat im April dieses Jahres eine spannende Artikelserie zur Integrativen Schule begonnen. Im ersten Artikel ging es um die Begriffsklärung und die Forderung nach einer einheitlichen Terminologie. Dazu sollte auch gehören, sich vom veralteten und irreführenden Begriff der Regelklasse zu verabschieden. Ebenso wie die «Integrative Schule» einfach «Schule» heissen sollte, sollte statt von «Regelklassen» einfach nur von «Klassen» gesprochen werden.
 

Datum

29.06.2021

Autor
Beat A. Schwendimann

Publikation
Standpunkte