Standpunkte

Autonomie der Gemeinden wird gestärkt

Wer behält die Kontrolle, dass die Zuständigkeiten in der Schule vor Ort geklärt sind?

In den meisten Kantonen besteht die Tendenz, dass die Autonomie der Gemeinden gestärkt wird. So schrieb der Aargauische Lehrerinnen- und Lehrerverband alv im Newsletter vom November 2018: «Unter dem Stichwort ‹Schule vor Ort› wurden nicht nur Kompetenzen, sondern vermehrt auch deren Finanzierung ohne transparente Kommunikation auf die Gemeinden abgewälzt. Dies darf nicht bedeuten, dass sich nun niemand verantwortlich fühlt und deshalb die Finanzierung nicht geklärt ist. Die Zuständigkeiten zwischen Kanton und Gemeinden sind zu klären.» Meine Beobachtungen als Geschäftsleitungsmitglied des LCH und als Vorstandsmitglied des Kantonalen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes St. Gallen (KLV) bestätigen diese Tendenz, und ich stütze die Forderungen des alv.

Leider muss ich feststellen, dass viele Kantone in ihren Weisungen und Handreichungen keine verbindlichen Vorgaben machen. Dies mit der Begründung, die «Schule vor Ort» brauche einen gewissen Spielraum, damit sie besser auf die lokalen Gegebenheiten eingehen könne. Im Kanton St. Gallen wurde 2015 ein neuer, zeitgemässer Berufsauftrag eingeführt, der mehr Orientierung nach innen und aussen bietet. Dieser Aussage kann ich beipflichten. Wir Lehrpersonen sind mit der Einführung des neuen Berufsauftrages sensibilisiert worden, welche Zeitgefässe in welchem Arbeitsfeld prozentual zur Jahresarbeitszeit zu leisten sind. Um auf die Ressourcen der Personen vor Ort und auf die Gegebenheiten vor Ort eingehen zu können, erhielten die Schulträger die Kompetenz, Zusatzverträge zur Flexibilisierung der Arbeitsfelder abzuschliessen und die Möglichkeit eines Personalpools, der von der Bandbreite der Klassengrösse abhängt. Für einen solchen Zusatzvertrag gibt es keinen generellen Anspruch, dies ist Verhandlungssache jeder Lehrperson mit ihrem Arbeitgeber.

Durch diesen Umstand sind vor allem bei den Kindergartenlehrpersonen und bei den Schulischen Heilpädagoginnen und Heilpädagogen (SHP) unterschiedliche, zum Teil ungerechte Anstellungsbedingungen entstanden. Die Znüni- und Pausenbetreuung der Kinder im Kindergarten ist meiner Meinung ganz klar Arbeitszeit im Bereich Unterricht. Leider wurde dieser «Sonderfall» mit dem neuen Berufsauftrags nicht geregelt, sondern an die Gemeinden delegiert. Die Konferenz der Kindergartenlehrpersonen im Kanton St. Gallen stellte in einer Umfrage fest, dass die Pausenregelung in den Gemeinden sehr unterschiedlich gehandhabt wird. Die Kindergartenlehrpersonen des Kantons St. Gallen sind mit der Umsetzung des neuen Berufsauftrags unzufrieden und haben zusammen mit dem KLV eine Klage eingereicht.

Die Klassenlehrpersonen des Kantons St. Gallen werden mit einer Klassenlehrerzulage und mit einer Entlastungslektion für die Arbeiten zur Fallführung, für die Zusammenarbeit usw. entschädigt und entlastet. Die Mehrheit der SHP arbeiten im integrierten Setting und sind somit keine Klassenlehrpersonen. Ihr Anrecht auf Zeitgefässe zur Beratung und zur Fallführung wurde in den Bereich «Verhandlungssache mit dem Arbeitgeber» geschoben. Nun fehlt der Überblick, wie viele Lehrpersonen im Heilpädagogischen Bereich über einen Zusatzvertrag zur Flexibilisierung der Arbeitsfelder verfügen. Der Vorstand der Konferenz der Schulischen Heilpädagoginnen und Heilpädagogen der Kantone St. Gallen und Appenzell Innerrhoden (KSH SG/AI) geht davon aus, dass sehr unterschiedliche und zum Teil ungerechte Anstellungsbedingungen vorliegen. Deshalb hat die KSH SG/AI im September 2017 ein Positionspapier mit konkreten Forderungen zu den Anstellungsbedingungen der Lehrpersonen im Heilpädagogischen Bereich (Integrierte Schulische Förderung) einstimmig verabschiedet.

Zum Schluss appelliere ich an alle verantwortungsbewussten Arbeitgeber. Es liegt sicher in Ihrem Interesse, dass die Zuständigkeiten zwischen Kanton und Gemeinden klar geregelt sind und transparent kommuniziert werden.

Datum

04.12.2018

Autor
Ruth Fritschi

Publikation
Standpunkte