Standpunkte

Covid-19: neue Dimension in Sachen Luftqualität

Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin LCH

Gute Innenraumluft verkürzt die Reaktionszeit für richtige Antworten und verhilft Schülerinnen und Schülern zu besseren Leistungen in Mathematik, Grammatik, Lesen und Verstehen. Eine BAG-Studie zur Raumluft an Schulen zeigt aber, dass in zwei Dritteln der Schulzimmer mit manuell zu öffnenden Fenstern die Raumluftqualität ungenügend war. Das heisst, die Luftwerte lagen während mehr als zehn Prozent der Schulzeit im inakzeptablen Bereich: nämlich bei einer CO2-Konzentration über 2000 parts per million (ppm). Der empfohlene Grenzwert liegt bei 1000 ppm. In Schulzimmern, die dicht belegt sind, atmen Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler also viel schlechte Luft ein.

Mittlerweile liegen auch zahlreiche Untersuchungen aus verschiedenen Ländern vor – immer mit dem gleichen Befund: Die Raumluftqualität ist häufig ungenügend und der in Bau- und Lüftungsnormen festgeschriebene Grad der Durchlüftung wird kaum eingehalten. Das zeigt, dass ein Raum mit so starker Belegung wie ein Klassenzimmer sehr häufig und ausgiebig gelüftet werden muss. Der Berliner Ingenieur Martin Kriegel rät den Schulen gar, alle 30 Minuten eine Lüftungspause von 15 Minuten einzulegen.

Lehrerinnen und Lehrer sind täglich bestrebt, die Klassenräume gut durchzulüften. Dies reicht aber offenbar nicht aus. Und effektives Lüften ist auch nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. Denn in vielen Schulhäusern ist es beispielsweise wegen Lärmbelastungen, Hitze oder Absturzgefahren nicht möglich, die Fenster während des laufenden Unterrichts zu öffnen.

Der LCH forderte bereits 2017 in einem Positionspapier, dass die staatlichen, fachlichen bzw. arbeitsmedizinischen Qualitätsnormen für Raumklima, Licht, Lärm, Nachhall, Luftvolumen und Raumbelegung pro Person von Kantonen und Gemeinden übernommen und auch für Schulbauten angewandt und eingehalten werden.

Nun nimmt die Thematik im Zuge der Schutz- und Hygienemassnahmen rund um Covid-19 eine neue Dimension an. Denn nicht erst seit dem Erscheinen des Zeitungsinterviews mit André Prévôt, Professor am Labor für Atmosphärenchemie am Paul Scherrer Institut, wird vermutet, dass sich das Coronavirus auch über Aerosole, also über die Luft überträgt.

Auch wenn dem Thema «Lüften» seit der Coronakrise in den Schulen erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt wird, Schulzimmertüren und -fenster in den Sommermonaten weit offenstehen, braucht es beispielsweise Messgeräte in jedem Schulzimmer, die die CO2-Konzentration im Raum messen, damit mithilfe eines konkreten Lüftungskonzepts die Raumluft verbessert werden kann.

Wo keine Möglichkeit besteht, mit Frischluft ausreichend zu lüften, und kein automatisches Lüftungssystem vorhanden ist, braucht es zusätzliche bauliche Massnahmen, um einerseits gute Luft fürs Lernen und andererseits ausreichenden Schutz für Kinder, Jugendliche und Lehrpersonen an den Schulen zu gewährleisten.

Datum

01.09.2020

Autor
Dagmar Rösler

Publikation
Standpunkte