Die Modernisierung bringt aber auch eine Modularisierung der Berufsbildungen mit sich. In Zeiten des lebenslangen Lernens, wo junge Mitarbeitende nach zehn bis 15 Jahren im Beruf ohne Zögern die Berufsrichtung wechseln, ist das eine gute und sinnvolle Entwicklung. Fachleute betonen immer wieder, dass man heute nicht wisse, wie die Jobs von morgen aussehen werden. Auch dem kann mit einer Modularisierung begegnet werden.
Genau diese Modularisierung sieht die Berufsbildung 2030 vor, die Vision, die an der Verbundspartnertagung unter der Leitung des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation SBFI formuliert wurde. Sie soll die Berufsbildung weiterentwickeln und damit langfristig helfen, bei einer beruflichen Neuorientierung die fehlenden Kompetenzen einfacher zu erkennen. Das Ziel: Umsteigerinnen und Umsteiger müssen nicht mehr eine weitere, komplette Lehre absolvieren, sondern können sich die fehlenden Kompetenzen in einzelnen zusätzlichen Modulen aneignen. Die Modularisierung schafft so auch die Voraussetzung für unkomplizierte Anpassungen der Lehrgänge, indem relativ einfach einzelne Module weiterentwickelt und/oder ausgetauscht werden können. Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung ist dies sicherlich ein zentraler Faktor.
Die Modularisierung der Lehre darf aber nicht zwangsläufig mit einer uneingeschränkten Wahlmöglichkeit einhergehen. Klar ist, dass die Wahl einzelner Module, verstanden als Spezialisierung oder Vertiefung, die Attraktivität eines Berufes zu steigern vermag. Wenn aber aufgrund dieser Wahlmöglichkeit grundlegende Kompetenzen nicht mehr obligatorisch vermittelt werden, dann ist dies keine förderliche Entwicklung.
Die Lehrerausbildung hat diese Veränderung bereits mitgemacht und sieht sich nun mit deren Auswirkungen konfrontiert. Auf der Sekundarstufe I wurden die Phil-I- und Phil-II-Profile abgeschafft oder zumindest aufgeweicht; für die Primarlehrerausbildung ist die vorgesehene Studienzeit zu kurz, um die verschiedenen Fächer in der erforderten Tiefe zu studieren. Somit fehlen heute Lehrpersonen für Fächer, die an den Pädagogischen Hochschulen kaum mehr studiert werden. Ich habe gemeinsam mit 22 Kommilitoninnen und Kommilitonen meine Französischausbildung abgeschlossen. Zeitgleich haben 143 Studierende die Unterrichtsbefähigung für Englisch erhalten. Die Folge: Ich unterrichte praktisch nur noch Französisch, denn Lehrpersonen mit Französisch in ihrem Fächerprofil sind ein rares Gut geworden.
Mit viel Anstrengung hält die Volksschule die Fahne für die Vermittlung und den Erwerb der Landessprachen als verbindendes Element zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern der verschiedenen Sprachregionen hoch. Obwohl die Bevölkerung uns diesen Auftrag gegeben und ihn mehrfach in Abstimmungen bekräftigt hat, kämpfen wir im Schulalltag mit wenig förderlichen Bedingungen. Fehlende Lektionen, nicht immer passendes Lehrmaterial und teilweise sehr grosse Klassen machen das Fremdsprachenlehren immer öfters zu einer Herkulesaufgabe.
Nun macht sich die Schweizerische Konferenz der kaufmännischen Ausbildungs- und Prüfungsbranchen SKKAB offenbar Gedanken darüber, die Landes- und die Fremdsprachen als Wahlpflichtfächer anzubieten. Was das bedeuten würde, ist offensichtlich und lässt wenig Gutes erahnen: Die wenigsten Lernenden würden noch Französisch wählen. Und würde dann jemand Deutsch lernen wollen in der Romandie? Bald darauf würde sich die Frage stellen, wieso wir in der Volksschule überhaupt eine zweite Landessprache als Pflichtfach unterrichten. Eine zweite Landessprache zu erlernen ist aber viel mehr als nur Voci und Grammatik büffeln! Es umfasst auch die Auseinandersetzung mit der damit verbundenen Kultur – unserer vielfältigen Schweizer Kultur. Wollen wir diesen Reichtum wirklich aufgeben?
Halten wir an unseren Landessprachen, an unserer Vielfalt, an unseren verbindenden Elementen fest! Pflegen wir sie, sie sind ein Schatz, um den wir von allen Ländern um uns herum beneidet werden. Geben wir den Vorteil der Mehrsprachigkeit nicht leichtfertig aus der Hand. Auch wenn die Vermittlung der Landessprachen manchmal viel Schweiss und Kraft kostet, so lohnt er sich – und zwar für alle Beteiligten!