Digitale Lehrmittel

Games helfen beim Lernen – falls richtig eingesetzt

Schulen setzen zunehmend Games als Lehrmittel ein. Was es zu beachten gilt, damit sie im Unterricht eine sinnvolle Ergänzung und nicht bloss Zeitvertreib sind.

Games fördern das individuelle Lernen. Foto: pixabay/jovanmaniac

Digitale Spiele respektive Games finden seit Jahrzehnten zunehmend Verwendung in Klassenzimmern – auch in der Schweiz. Während Quiz- und Trainingsprogramme am verbreitetsten sein dürften, ist der Einsatz komplexerer Games noch eher die Ausnahme, vermutet Judith Mathez, Dozentin für Medienpädagogik der Pädagogischen Hochschule Fachhochschule Nordwestschweiz (PH FHNW). Sie und Bernadette Spieler, Professorin an der Pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH), erklären auf Anfrage von BILDUNG SCHWEIZ, wo die Vorteile von Games für das Lernen liegen und worauf es bei der Integration in den Unterricht ankommt.

Die Vorteile von Games im Klassenzimmer

Integrieren Lehrpersonen Games in den Unterricht, hat das verschiedene Vorteile. Zunächst vergrössert sich das Methodenrepertoire der Lehrenden, was ein abwechslungsreicheres Lernumfeld schafft. Die Schülerinnen und Schüler kennen Games zudem meist aus ihrer Freizeit und sind empfänglich für entsprechende Unterrichtsmethoden.

«Einer der meistgenannten Vorteile sind die Motivation und Faszination, die von Games ausgehen», sagt Bernadette Spieler. Die Lernenden haben Spass, stärken ihr Selbstvertrauen und sind motiviert, sich stets zu verbessern. «Diese Motivation kann den Lernprozess effektiver und nachhaltiger gestalten», so die Professorin, die am Zentrum Bildung und Digitaler Wandel der PHZH forscht.

Weiter können Schülerinnen sowie Schüler wichtige Fähigkeiten wie Problemlösung, Entscheidungsfindung und kritisches Denken entwickeln. Ausserdem fördern Games das individuelle Lernen, da die Lernenden im eigenen Tempo arbeiten können. Das heisst aber nicht, dass auch alleine gelernt werden muss: Viele Games haben soziale Komponenten. Beim gemeinsamen Spielen werden deshalb auch Kompetenzen wie Kommunikation und Teamarbeit gestärkt.

So können Games in den Unterricht integriert werden

Digitale Spiele können den Unterricht unterschiedlich bereichern. Zunächst dienen Games dazu, bestimmte Inhalte spielerisch zu vermitteln. Gemäss Bernadette Spieler können unter anderem Simulationen dabei helfen, komplexe Themen etwa aus Wirtschaft oder Geschichte leichter zu vertiefen. Um Kompetenzen wie Kooperations- und Kommunikationsfähigkeiten zu trainieren, nennt Judith Mathez beispielhaft das Spiel «Overcooked! 2», bei dem die Spielenden als Gruppe Gerichte zubereiten, oder «Keep Talking and Nobody Explodes», bei dem gemeinsam eine virtuelle Bombe entschärft wird.

«Einer der meistgenannten Vorteile von Games sind die Motivation und Faszination, die davon ausgehen.»

Doch kann es bei Games auch um anderes als Vermittlung und Übung gehen: Sie können selbst zum Gegenstand des Unterrichts werden, so Mathez, die an der Beratungsstelle Digitale Medien in Schule und Unterricht Imedias der PH FHNW tätig ist. Vier von fünf Jugendlichen in der Schweiz gamen mindestens ab und zu, wie aus der James-Studie 2022 zur Mediennutzung hervorgeht. Also könnte thematisiert werden, welche Rolle digitale Spiele im Leben der Schülerinnen und Schüler spielen, was daran toll ist oder nervt, wie man eigene Game-Ideen entwickelt und was ein Spiel attraktiv oder erfolgreich macht.

«Medienreflexion ist auch stets ein Beitrag zur Sensibilisierung und Prävention missbräuchlicher oder unerwünschter Mediennutzung», sagt Mathez weiter. So könnten Lernende etwa für verfängliche Marketingstrategien von Apps sensibilisiert werden, die angeblich gratis sind, aber trotzdem hohe Gewinne einfahren. Oder der Unterricht könnte die Wahrnehmung dafür schärfen, wie viel Zeit eigentlich mit Gamen verbracht wird.

Das gilt es bei Games als Lehrmittel zu beachten

Welche Games sich für den Unterricht eignen, kommt auf die Bedürfnisse der Lehrperson an. Die Auswahl ist gross und beschränkt sich nicht auf die Spiele, die spezifisch für pädagogische Zwecke geschaffen wurden. «Auch viele Bücher, die im Literaturunterricht besprochen werden, wurden nicht speziell für den Unterricht geschrieben», erklärt Bernadette Spieler dazu. Games können je nachdem sogar fächerübergreifend Wissen und Kompetenzen vermitteln. Doch: «Die Wahl des richtigen Spiels erfordert eine sorgfältige Abwägung der Lernziele und -inhalte», sagt Spieler. Zudem sei es wichtig, dass Spiele nicht als alleiniges Lehrmittel eingesetzt werden, sondern ergänzend.

Auch Mathez betont zur Integration von Games in den Unterricht: «Die pädagogisch-didaktische Rahmung ist das A und O.» Zur sorgfältigen Einbettung gehören etwa eine Bedingungs-, Sach- und Spielanalyse. «Hinzu kommen im Fall von Games technische Fragen.» Lehrpersonen müssen abklären, für welche Geräte ein Spiel geeignet ist, ob die technische Ausstattung der Schule ausreicht und ob es weitere Geräte benötigt. «Viele qualitativ hochwertige Spiele sind kostenpflichtig, darin unterscheiden sie sich nicht von anderen Lehrmitteln», fügt die Dozentin an.

Der Umgang mit problematischen Inhalten

Bei der Wahl des Games achtet Mathez ausserdem darauf, dass die Spiele für die betreffende Altersstufe freigegeben sind. Es gebe zudem ausreichend gute Games, sodass sich problematische Inhalte wie übertriebene Gewaltdarstellungen, Geschlechterstereotypen oder Diskriminierung vermeiden lassen. Grundsätzlich rät Mathez aber dazu, solche problematischen Inhalte mit den Lernenden zu thematisieren.

Das gilt auch für die Altersempfehlung von Spielen: Rund 70 Prozent der Jugendlichen würden Games spielen, für die sie eigentlich noch zu jung sind. «Diese Medienrealität soll auch im Unterricht zur Sprache kommen dürfen; so können Lehrpersonen wichtige präventive Grundlagen schaffen», sagt die Dozentin. Das bedeute nicht, dass jegliche Mediennutzung der Lernenden gutgeheissen werden muss. Aber eine klare persönliche Stellungnahme und ein offenes Ohr für die Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler können für beide Seiten bereichernd sein.

Datum

18.08.2023

Autor
Text: Kevin Fischer

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