Niemand bestreitet, dass die Schweiz über ein sehr gutes Bildungssystem verfügt. Dass Bildung unsere einzige Ressource ist, ist nichts Neues. Tönt schön und wird deshalb sehr oft verwendet. Aber hält diese Aussage einer kritischen Hinterfragung stand? Schauen wir doch genauer hin.
Dass jeder und jede weit kommen kann, ist zwar theoretisch richtig, faktisch aber nicht wahr. Längst wissen wir aus Studien und Erhebungen, dass trotz strukturell offenen Bildungswegen keine Chancengerechtigkeit gewährleistet ist. Selektion und Beurteilung werden von unbewussten Erwartungshaltungen geprägt. An Kinder aus akademischen Familien werden oft höhere Ansprüche gestellt als an Kinder aus Arbeiterfamilien, das wirkt sich indirekt auf Leistung und Schulerfolg aus. Zudem spielen finanzielle Rahmenbedingungen eine entscheidende Rolle, insbesondere beim gymnasialen Bildungsweg (siehe Bildungsblog des Tagesanzeigers vom 20. Juni 2016). Es ist noch ein weiter Weg bis zu einer grösseren Chancengerechtigkeit und Sparmassnahmen im Bereich der Sonderpädagogik, der Begabtenförderung oder beim Herabsetzen der Gymiquote machen den Weg steinig bis unwegbar.
Im Report «The Future of Jobs» des world economic forums vom Januar 2016 werden die Top10 Skills für das Jahr 2020 genannt. An erster Stelle steht das «Complex Poblem Solving», gefolgt von «Critical Thinking» und an dritter Stelle «Creativity». Kreativität ist eng verknüpft mit Innovation. Menschen, die vorausdenken und über den Tellerrand schauen können, generieren neue Ideen, Produkte oder Dienstleistungen. Damit bleiben die internationale Wettbewerbsfähigkeit und der landesinnere Wohlstand gewährleistet. Insofern liegt Bundespräsident Schneider-Ammann mit seiner Aussage, Innovation sei einer der drei Pfeiler des Wohlstandes in der Schweiz, sicher richtig.
Nur, wie passt denn das mit den aktuellen Abbaumassnahmen zusammen? Mit dem Vorhaben, auf Bundesebene weitere 500 Millionen Franken in der Bildung einzusparen? In der Schule werden Problemlösungsstrategien erarbeitet und geübt, das eigene Lernverhalten reflektiert und kreatives Denken und Handeln gefördert. Und jetzt wird die hohe Qualität unserer Schule durch diese einschneidenden Sparmassnahmen beschädigt. Dies nun auch auf Bundesebene, nachdem ein ruinöser Steuerwettbewerb in den Kantonen bereits in den letzten Jahren die Finanzen für die Bildung dramatisch verknappt hat.
Gerade die Errungenschaften der letzten zehn Jahre bezüglich Integration, notabene auch diese oft unter erschwerten finanziellen Rahmenbedingungen und zu Lasten der Lehrpersonen umgesetzt, werden mit diesen Abbaumassnahmen massiv gefährdet.
Genau diese Investitionen in eine Schule der Zukunft, die für alle Kinder bezüglich "Skillstraining" gewinnbringend sind, werden nun wieder in Frage gestellt und nicht mehr mit den nötigen finanziellen Mitteln ausgestattet.
Und wenn das nicht schon genug Schadenpotenzial hätte, kommt jetzt noch die Unternehmenssteuerreform III auf uns zu und generiert nochmals Steuerausfälle in Milliardenhöhe beim Bund und in den Kantonen und Gemeinden. Gleichzeitig wird ein strukturelles Defizit budgetiert. Wer das wohl auszugleichen hat? Genau!
Weitere Abbaumassnahmen werden uns in den nächsten Jahren in der Bildung beschäftigen. Wir werden uns mit allen Mitteln dagegen wehren. Leider sind so betrachtet die am 1. August vielerorts gemachten Aussagen bezüglich Stellenwert der Bildung als Plattitüden zu betiteln. Setzen wir uns dafür ein, dass dem nicht so ist. Denn eine gute Volksschule trägt viel zum Wohlstand in der Schweiz bei.
Trotzdem oder erst recht: Ich wünsche allen Lesenden bereits jetzt einen erfreulichen Einstieg in das neue Schuljahr.