Über 20‘000 Menschen aus der Ukraine sind bereits in der Schweiz als Geflüchtete registriert. Rund 5000 davon sind schulpflichtige Kinder, schätzte kürzlich die Schweizerische Volksschulämterkonferenz an einer Pressekonferenz. Der Schutzstatus S, welcher der Bund ukrainischen Flüchtlingen gewährt, ermöglicht geflüchteten Kindern und Jugendlichen den vollständigen Zugang zu Schweizer Schulen.
1000 neue Schulklassen
Wie viele Flüchtlinge in den kommenden Monaten aus der Ukraine in die Schweiz gelangen werden, ist noch unklar. Es sei möglich, dass bis Ende Jahr 250'000 bis 300'000 Menschen kommen, sagte Marcel Suter, Präsident der kantonalen Migrationsbehörden in der «NZZ am Sonntag» vom 20. März. Bleibt das Verhältnis von Minderjährigen zu Erwachsenen gleich, müssten in diesem Fall bis zu 1000 neue Schulklassen eröffnet werden, rechnet der Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH).
Klar ist, dass Schulen diese riesige Herausforderung nicht allein meistern können. «Es braucht Unterstützung von allen Seiten», sagt Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin LCH. Hier setzen auch die Empfehlungen an, welche die Eidgenössische Migrationskommission (EMK) für die obligatorische Bildung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen am 31. März publiziert hat.
Wer gut wohnt, lernt besser
Die EMK nimmt nicht nur die Schulen als direkte Ausbildungsanbieter in die Pflicht. Die Integration geflüchteter Kinder sei eine gesamtschulische Herausforderung, schreibt sie in den Empfehlungen. Dabei brauche es auch die Zusammenarbeit mit Erziehungsdepartementen und Pädagogischen Hochschulen. Konkret meint die EMK damit Unterstützung in Form von Informationen, Beratung oder Supervision, damit Fragen von Schulen und Lehrpersonen niederschwellig und fachkundig beantwortet werden können.
Bildung braucht ein stabiles Umfeld. Das ist jedoch nicht immer gegeben. «Wenn das Zusammenleben mit einer Gastfamilie nicht funktioniert, müssen Familien umziehen. Das kann Kinder zusätzlich belasten», betont Rösler. Darum fordert auch die EMK einen Effort, um gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Ausserschulische Institutionen wie Sozial-, Gesundheits- und Migrationsämter stehen somit ebenfalls in der Pflicht. Diese müssten unter anderem geeignete Wohnsituationen und somit geeignete Lernorte schaffen. Ausserdem brauche es schnell therapeutische Unterstützung für belastete Kinder.
Integration braucht Geld
Die EMK weist auf die Verantwortung beim Bund hin. Zum einen sei dieser für eine kohärente Migrationspolitik zuständig. Diese soll sowohl Kriegshandlungen eindämmen als auch Verstösse gegen Menschenrechte verhindern und ahnden. Innenpolitisch müsse der Bund die Kantone als Schnittstelle von Innen- und Aussenpolitik unterstützen – auch finanziell. Dem pflichtet die Zentralpräsidentin LCH bei. «Der Status S ermöglicht bereits eine relativ schnelle Integration in die Schule und in den Arbeitsmarkt. Das braucht jedoch auch zusätzliche Ressourcen.»
Zur Integration gehört auch der Besuch der Regelklasse, betont die EMK. Nur dort wo grössere Gruppen von Schutzsuchenden eintreffen, solle man eine temporäre Lösung mit separatem Unterricht anstreben. Maximal nach einem Jahr sollen die Kinder und Jugendlichen den regulären Unterricht besuchen können.
Pragmatismus ist gefragt
Das Ziel der EMK-Empfehlungen ist das schnelle Erlernen der Sprache, der Zugang zur schweizerischen Lebenswelt und die schnelle Integration in den neuen Alltag. Die Zusammenarbeit mit den Kantonen und verschiedenen Institutionen funktioniere dabei schon gut. «Grundsätzlich spürt man einen grossen Unterstützungswillen und die Bereitschaft, unkompliziert zu arbeiten», fasst Rösler zusammen. «Es braucht von allen Pragmatismus.» Die EMK-Empfehlungen können also helfen, diese Zusammenarbeit noch reibungsloser zu gestalten.