Standpunkte

Elterngespräche sind das Herzstück

Der LCH hat sein Positionspapier zur Zusammenarbeit von Schulen und Eltern aus dem Jahr 2004 überarbeitet und an die aktuelle Situation angepasst. Im Herbst 2017 wird zudem ein Leitfaden zum Thema veröffentlicht. Die Zusammenarbeit und die gegenseitigen Erwartungen von Schulen und Eltern sind regelmässig Thema in den Medien und an Schulen.

Eltern oder Erziehungsberechtigte sind für die Erziehung ihrer Kinder verantwortlich, die Schule hat einen rechtlich abgestützten subsidiären Erziehungsauftrag im Rahmen der Bildung (BV, ZGB, Schulgesetze). Eine funktionierende Kooperation zwischen Schule und Eltern und eine die Entwicklung begünstigende soziale, kulturelle und örtliche Umgebung ist für den Lernerfolg und das Wohl der Kinder und Jugendlichen entscheidend.

Elterngespräche geben Orientierung und fördern

Für sämtliche Lehrpersonen gehören Elterngespräche zum Berufsauftrag. Sie finden auf allen Stufen vom Kindergarten bis zur Berufslehre oder zum Gymnasium statt. In vielen Kantonen werden sie als «Schulische Standortgespräche» bezeichnet und verfolgen das Ziel und den Zweck, den Entwicklungs- und Leistungsstand des Kindes anhand von Bezugsnormen einzuschätzen. Diese Beurteilung ist für Eltern, Kind und Lehrperson von hoher Bedeutung und wird von Seiten der Eltern und Kinder oft mit Spannung erwartet. Für uns Lehrpersonen sind Elterngespräche ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit. Gelungene Elterngespräche begünstigen und fördern den weiteren Lernprozess des Kindes.

Was tun, damit Elterngespräche gelingen?

Folgende zwei Grundsätze sind unbestritten: Erstens wollen Eltern und Lehrpersonen in jedem Fall das Beste für das Kind. Zweitens treffen auf allen Stufen in den Standortgesprächen unterschiedliche Perspektiven aufeinander. Meine Erfahrungen als schulische Heilpädagogin auf den Stufen Kindergarten und Primarschule zeigen, dass die Lehrpersonen viel Zeit und Energie in eine transparente Beurteilung und in die Gesprächsvorbereitungen stecken. Auch nach einigen Jahren Berufserfahrung wird immer wieder ausgetauscht, welche Faktoren zum guten Gelingen eines Elterngesprächs beitragen.

Die meisten von uns besuchen im Verlauf ihrer beruflichen Tätigkeit Weiterbildungen im Bereich Gesprächsführung und zum Umgang mit Problemsituationen. Wenn ich an die Gespräche in unserem Teamzimmer denke, stelle ich fest, dass die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen die entscheidenden Faktoren kennen: Auf der Beziehungsebene wird versucht, eine wertschätzende und gleichberechtigte Beziehung zu den Beteiligten aufzubauen, die Strukturierung des Gesprächs wird transparent gemacht, und wenn immer möglich wird eine konstruktive und kooperative Lösung des Problems gesucht. Viele Lehrpersonen verwenden ein persönliches Gesprächsraster und kommen mit diesem erfolgreich zum Ziel. Und trotzdem passiert es mir und wahrscheinlich auch meinen Kolleginnen und Kollegen, dass wir in unangenehme Problemsituationen geraten.

Problemsituationen – wie reagieren?

Zum Beispiel stellt ein Vater die Autorität der Lehrerin gleich zu Gesprächsbeginn in Frage. Mit drohendem Getöse versucht er die junge Lehrerin einzuschüchtern und unterstellt ihr, dass sie die Klasse nicht im Griff hätte. Der Machtaspekt steht vorerst so sehr im Vordergrund, dass an den Aufbau einer wertschätzenden und gleichberechtigten Beziehungsebene gar nicht mehr zu denken ist. Diese Situation verlangt von der Lehrerin geschickte kommunikative Verhaltensweisen, um das Gespräch auf inhaltliche Einschätzungen und auf eine konstruktive und kooperative Lösung zu lenken. Der Umgang mit negativen Emotionen ist eine Problemsituation, die häufig erlebt wird. Wenn die Beobachtungen und Einschätzungen von uns Lehrpersonen nicht mit den Beschreibungen von zu Hause übereinstimmen, kann es sein, dass im Verlauf des Gesprächs Wut oder Frustration aufkommen, die eine kooperative Beziehung zwischen den Beteiligten erschweren.

Als erfahrene Lehrperson weiss ich, dass ich mich in solchen Situationen empathisch verhalten soll. Das bedeutet, dass ich die Standpunkte der Eltern nachvollziehen und nachfühlen können soll, und gleichzeitig sollte ich Distanz bewahren, um nicht emotional, sondern rational zu reagieren. Ich versuche, mich nicht aus der Fassung bringen zu lassen, immer betont sachlich zu bleiben und zu vermitteln, dass es um die optimale Förderung des Kindes geht. Doch gerade weil es um die optimale Förderung des Kindes geht, war und ist es auch schon mal ganz sinnvoll, emotional zu reagieren, damit die Eltern sehen, dass auch die Lehrperson «nur ein Mensch» ist und ihre Sache leidenschaftlich vertritt.

Eine weitere heikle Problemsituation, die einiges an Fingerspitzengefühl verlangt, ist jene, wenn Eltern intime Konflikte oder familiäre Probleme darlegen, die mich als Lehrperson tief in die Familie hineinblicken lassen. Die Ursachen für schulische Probleme können oft auch in der familiären Situation zu suchen sein. Daher ist es zentral, dass die Beteiligten bei der Lehrperson auf Diskretion und Verständnis stossen. Auf der Beziehungsebene müssen Lehrerinnen und Lehrer viel Sensibilität beweisen. Im Umgang mit dem Gehörten ist professionelle Integrität zudem zwingend. Wenn solche familiäre Informationen zu einer konstruktiven und kooperativen Lösung des Problems beitragen, sind sie adäquat und hilfreich.

Individueller Gesprächsleitfaden hilft

Solche und ähnliche Problemsituationen machen deutlich, dass es entscheidend ist, ob der Kontakt mit den Eltern von gegenseitiger Unterstützung und Kooperation geprägt ist oder ob Forderungen auf der einen und abwehrende Haltung auf der anderen Seite vorhanden sind. Als Kindergartenlehrperson hilft mir mein eigener Gesprächsleitfaden dabei, individuell und professionell zu reagieren, damit auch herausfordernde Elterngespräche gelingen. Dieser Leitfaden beinhaltet die Herstellung eines positiven Kontakts, die Klärung eines vorliegenden Problems und die Eruierung von Lösungsmöglichkeiten. Auch wenn die Situationen immer wieder verschieden sind und die Fragen unterschiedlich beantwortet werden müssen, gibt mir der Leitfaden Orientierung und Sicherheit. Eltern, die sich auf das Elterngespräch vorbereiten und sich vorgängig die Themen, die sie besprechen möchten, überlegen, sind in den meisten Fällen kooperative Gesprächspartner.

Elterngespräche sind das Herzstück in der in der Zusammenarbeit von Schulen und Eltern. Ausdauer und Hartnäckigkeit von beiden Seiten machen sich in vielen Fällen bezahlt.

Datum

02.05.2017

Autor
Ruth Fritschi

Publikation
Standpunkte