«Für die Generation Z zählt das Privatleben stärker»

Überall mangelt es an Fachkräften. Ein Grund dafür sei die Generation Z, die keine Karriere machen will und lieber nur Teilzeit arbeitet. BILDUNG SCHWEIZ sprach mit Betriebswirtschafterin Antje-Britta Mörstedt über die Eigenheiten dieser Generation und darüber, was das für die Schule bedeutet. 

Betriebswirtschafterin und Generationenforscherin Antje-Britta Mörstedt berät Unternehmen in Rekrutierungs- und Personalfragen. Sie ist Mutter dreier Kinder im Alter der Generation Z. Foto: Marc Renaud

BILDUNG SCHWEIZ: Junge Menschen werden zuweilen als materialistische Monster bezeichnet. Ist das nicht ein gar hartes Urteil?
Antje-Britta Mörstedt: Ich sage das nicht. Das ist ein Zitat aus Studien. Ich sehe das differenzierter. Fridays for Future oder Bewegungen, für die Nachhaltigkeit zentral sind, sind bestimmt nicht materialistisch. Doch es gibt eben auch den Trend der Fast Fashion, der schnellen Moden: also Kleider schnell auszutauschen und damit nicht nachhaltig zu sein. Unter den jungen Leuten, die ab Mitte der 90er-Jahre bis ungefähr 2010 geboren wurden, gibt es vielfältige Strömungen, wie in jeder Generation.

Was sehen Sie in ihnen?
Viele unter ihnen machen sich sehr viele Gedanken. Angst ist aber auch stark verbreitet. Gerade die Pandemie oder die instabile politische Lage verunsichert junge Leute. Sie fürchten sich davor, irreversible Entscheidungen zu treffen. Das wirkt sich zum Beispiel auf die Berufswahl aus. Sie bleiben unentschlossen. Hinzu kommt oft die fehlende Ausdauer. Sie geben schnell einmal eine Ausbildung auf oder sagen, das schaffe ich nicht. Fehlschläge gehen tiefer. Und danach fehlt der Kampfwille, den die Generation davor noch hatte.

Ist das mit dem «No Future»-Gefühl junger Menschen in den 90er-Jahren vergleichbar?
Das nicht. Für die Generation Z zählt das Privatleben stärker. Sie verstehen den für uns wichtigen Begriff der Work-Life-Balance gar nicht. Sie verstehen nicht, wenn Leute stöhnen beim Arbeiten. Sie wollen beim Arbeiten auch leben. Karriere um jeden Preis wird man mit denen nicht machen können. Eine Karriere bleibt für viele dennoch ein erstrebenswertes Ziel – allerdings ohne 70-Stunden-Woche.

Worauf müssen sich alteingesessene Lehrerinnen und Lehrer einstellen, wenn junge Lehrpersonen hinzukommen?
Wer viel Berufserfahrung hat, neigt manchmal dazu, seine Methoden als die einzig richtigen zu sehen. Gerade in diesem Beruf sollte man aber nicht auf herkömmliche Instrumente bestehen. Statt zu bremsen sollten Alteingesessene Junge dazu ermutigen, Neues auszuprobieren. Davon können auch sie profitieren.

Die Generation Z sitzt auch im Schulzimmer. Was ist dort angezeigt?
Man muss die Schülerinnen und Schüler bei Laune behalten, indem sie aktiv in den Unterricht eingebunden werden und das Internet miteinbezogen wird. Jeder zweite Jugendliche lernt mit Youtube. Also kommt das wahrscheinlich auch in der Schule gut an. Von oben herab zu dozieren, ist sowieso out. Der Lehrer ist heute ein Experte unter vielen. Was er sagt, lässt sich ruckzuck mit Google überprüfen.

Ist diese Generationen-Etikettierung darum nicht grundsätzlich eine ambivalente Sache?
Das stimmt. Wir sollten sehr vorsichtig sein, alle in dieselbe Schublade zu stecken. Denn jede Generation zeigt eine breite Streuung. Zudem widersprechen sich Studien auch immer wieder. Stereotype helfen also nicht weiter. Bei Begegnungen müssen wir darum stets schauen, wer genau vor uns steht.

Das vollständige Interview mit der Generationenforscherin lesen Sie in der Juli-Ausgabe von BILDUNG SCHWEIZ.

Datum

29.07.2022

Autor
Christoph Aebischer