Der Bundesrat hat 2007 das Nationale Forschungsprogramm NFP 60 beauftragt, den Stand der Gleichstellung der Geschlechter in der Schweiz in 21 Forschungsprojekten zu untersuchen. Der nun vorliegende Synthesebericht des NFP 60 vereint die Ergebnisse und setzt Impulse zur Verbesserung von Gleichstellung, Chancengleichheit und Wahlfreiheit für Männer und Frauen in den vier Handlungsfeldern Bildung, Arbeitsmarkt, Vereinbarkeit von Familie, Bildung und Beruf und Soziale Sicherheit. Der zentrale Befund: Die Gleichstellung der Geschlechter ist in allen Handlungsfeldern nur zum Teil realisiert.
Geschlechterstereotype Vorstellungen in der Schule dominant
In Kinderkrippen und Schulen sind nach wie vor Praktiken gängig und Lehrmittel im Einsatz, die Kindern geschlechterstereotype Vorstellungen von «weiblichem» beziehungsweise «männlichem» Verhalten vermitteln. Junge Männer nehmen bei Berufsentscheiden ihre künftige Rolle als Ernährer der Familie vorweg, junge Frauen wählen Berufe, die trotz Familienpause oder in Teilzeit ausgeübt werden können.
Von Anfang an tiefere Löhne für Frauen
Junge Frauen erhalten beim Berufseinstieg für gleichwertige Arbeit weniger Lohn. Diese Ungleichheit widerspricht nicht nur dem Gleichheitsprinzip, sondern beeinflusst auch das Verhältnis der Geschlechter, indem sie in Partnerschaften und Familien bestimmt, wer die unbezahlte Familienarbeit bewältigt.
Zu wenig familienergänzende Betreuungsmöglichkeiten
Punkto Angebot an familienergänzender Kinderbetreuung liegt die Schweiz im internationalen Vergleich zurück. Ein bezahlbares Betreuungsangebot führt dazu, dass Paare die familiäre Arbeitsteilung überdenken und eher partnerschaftliche Erwerbs- und Betreuungsmodelle realisieren.
Frauen sind im Alter in Notlagen ungenügend gesichert
Arbeit im Niedriglohnbereich und in Teilzeit sowie im Care-Bereich hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Diese oft prekären Arbeitsformen stellen für viele Menschen eine unsichere Existenzgrundlage dar, wobei doppelt so viele Frauen wie Männer davon betroffen sind. Wegen der Koppelung der Sozialversicherungsbeiträge an eine kontinuierliche, vollzeitliche Erwerbsbiographie sind Frauen über fünfzig oft schlechter gestellt oder in Notlagen nicht hinreichend gesichert und auf Sozialhilfe oder Ergänzungsleistungen der AHV/IV angewiesen.
Fazit: Einiges wurde erreicht, viel bleibt zu tun
Die Leitungsgruppe des NFP 60 kommt zum Ergebnis, dass sich sowohl Eltern wie Lehrpersonen ihren grossen Einflusses auf die Studien- und Berufswahl der Jugendlichen zunutze machen sollten. Die Vereinbarkeit von Familie, Bildung und Beruf setzt zudem voraus, dass günstige Betreuungsangebote für Kinder als auch betreuungsbedürftige Erwachsene zur Verfügung gestellt werden. Einkommen, Steuern, Sozialtransfers und Betreuungskosten müssen so aufeinander abgestimmt werden, dass ein höherer Lohn ein höheres verfügbares Einkommen zur Folge hat. Nur dann lohnt sich Erwerbsarbeit auch wirklich. Zusätzlich könnte eine Bildungsoffensive unqualifizierte Erwerbslose – häufiger Frauen als Männer – dabei unterstützen, einen Berufsabschluss nachzuholen. Generell sollten die Instrumente der sozialen Sicherheit – Sozialversicherungen und Sozialhilfe – die Vielfalt von Familienmodellen berücksichtigen. Erst wenn man auch mit Teilzeitarbeit eine angemessene soziale Absicherung und Vorsorge erhält, haben Männer und Frauen gleiche Chancen, ihre Existenz eigenständig zu sichern.
Quelle: Nationales Forschungsprogramm «Gleichstellung der Geschlechter» (NFP 60)
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NFP 60. Gleichstellung der Geschlechter. Ergebnisse und Impulse. Synthesebericht.
Weitere Informationen
Gleichstellung der Geschlechter - Nationales Forschungsprogramm NFP 60
Pressestimmen
Schauen Sie sich die aktuellen Pressestimmen zur Gleichstellung der Geschlechter in der Rubrik «LCH in den Medien» an, darunter insbesondere die Stellungnahme von Jürg Brühlmann, Leiter Pädagogische Arbeitsstelle LCH, in der SRF Tagesschau am Mittag vom 27. Mai 2014.