Aus dem LCH

Inklusion ja, aber die Situation muss tragbar sein

Der LCH hat sein Positionspapier zur integrativen Schule aktualisiert. Neu wird darin von Inklusion gesprochen. Das Ziel hingegen bleibt dasselbe. Die Umsetzung muss aber nicht überall gleich weit gehen. Dies betonen Dorothee Miyoshi und Beat A. Schwendimann von der Geschäftsleitung LCH gegenüber www.LCH.ch.

Eine inklusionsorientierte Schule bedeutet eine grosse Vielfalt in der Schülerschaft. Das kann eine Chance, aber auch belastend sein. Foto: MW
www.LCH.ch: Warum hat der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) das Positionspapier zur integrativen Schule überarbeitet?

Dorothee Miyoshi und Beat A. Schwendimann: Die Schweiz arbeitet nun seit 20 Jahren an der Umsetzung der integrativen Schule. Der LCH unterstützte die Leitidee einer integrativen Schule von Anfang an. Er tat dies allerdings unter dem Vorbehalt, dass die notwendigen Rahmenbedingungen vorhanden sind. Heute wird deutlich, dass es vielerorts immer noch an Personal, Zeit, Strukturen und geeigneten Räumlichkeiten fehlt. Für den Berufsverband LCH sind die Gesundheit und Arbeitszufriedenheit der Lehr- und Fachpersonen zentral. Nicht erst seit dem akuten Fachpersonenmangel mehren sich die Meldungen von Lehrpersonen und Fachpersonen mit pädagogisch-therapeutischem oder heilpädagogischem Auftrag, dass sie bei der Umsetzung der integrativen Schule an ihre Grenzen stossen. Aus Sicht des LCH besteht daher dringender Handlungsbedarf, um die Arbeitssituation der Lehr- und Fachpersonen zu verbessern.

Was ist neu an der überarbeiteten Fassung?

Das neue LCH-Positionspapier mit dem Titel «Vielfalt braucht Vielfalt» verwendet den neuen Begriff «inklusionsorientierte Schule». Dies, um zu betonen, dass Inklusion ein fortlaufender Prozess und kein abgeschlossener Zustand ist. Das Schulsystem soll kontinuierlich und pragmatisch auf die Leitidee der inklusiven Schule hin weiterentwickelt werden. Der LCH hat nach einer breit geführten Diskussion bewusst den Begriff «Inklusion» der «Integration» vorgezogen, da international und in Fachkreisen seit langem nur noch der Inklusionsbegriff verwendet wird. Es ist aber wichtig zu betonen, dass aus Sicht des LCH auch separative Formen zur inklusionsorientierten Schule gehören, wie Förderklassen, Lern- und Schulinseln, Begabungsförderungsangebote oder Sonderschulen. Solche Angebote stellen die fachkundige, intensive Betreuung von Schülerinnen und Schülern mit höherschwelligen Bedürfnissen sicher. Vielfältige Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler benötigen vielfältige Lösungen.

Weshalb ist der LCH weiterhin überzeugt, dass sich die Schule hin zu einer inklusiveren Schule entwickeln soll?

Der LCH setzt sich für Chancengerechtigkeit in der Bildung ein. Schule ist dann gerecht, wenn kein Kind aufgrund seiner Behinderung, Herkunft oder seines Geschlechts benachteiligt wird. Alle Kinder sollen gleichermassen in die Lage versetzt werden, ihr Potenzial ausschöpfen zu können. Die Schweiz hat diese Ziele gesetzlich verankert. Wissenschaftliche Untersuchungen der letzten zwei Jahrzehnte befanden, dass Kinder mit besonderen Bedürfnissen in inklusionsorientierten Schulen signifikant grössere Fortschritte machen als in separaten Sonderklassen oder Sonderschulen.

 

Die Leitidee einer inklusionsorientierten Schule muss für alle tragbar umgesetzt werden.

 

Die enorme Heterogenität stellt aber Lehr- und Fachpersonen vor grosse Herausforderungen. Wenn gewisse Schwellenwerte überschritten werden, wird die Situation zunehmend belastend. Wichtig sind in diesem Zusammenhang das Betreuungsverhältnis, Unterstützungsangebote und die Klassenzusammensetzung. Das Positionspapier fordert daher insbesondere für die Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit herausforderndem Verhalten ausreichende Unterstützung und falls nötig separative Lösungen. Die Leitidee einer inklusionsorientierten Schule muss für alle tragbar umgesetzt werden.

Positionspapier LCH zur inklusionsorientierten Schule 2023 – Vielfalt braucht Vielfalt

Datum

30.05.2023

Autor
CA