Standpunkte

Klassenassistenzen – aus der Schule nicht mehr wegzudenken

Meine Praxiserfahrungen und Berichte aus diversen Schulen bestätigen, dass in der Schweiz immer mehr nicht pädagogisch ausgebildete Assistenzpersonen in den Klassen eingesetzt werden. Das Thema Klassenassistenz sorgt seit mehr als zehn Jahren für kontroverse Diskussionen. Die Praxiserfahrungen sind grundsätzlich positiv, gewisse Aspekte werden jedoch immer wieder kritisch diskutiert.

Ruth Fritschi, Mitglied der Geschäftsleitung LCH

Als Schulische Heilpädagogin erlebe ich das Spannungsfeld «Nicht Professionelle in professionell herausfordernden Situationen» regelmässig. Viele Klassenassistenzen werden in schwierigen Klassensituationen und bei der Integration von Kindern mit besonderem Förderbedarf eingesetzt. Aus meiner Sicht herrscht in vielen Schulen eine falsche Einsatzlogik. Klassenassistenzen müssen oft Situationen selbstständig meistern, in denen selbst erfahrene Lehrpersonen enorm gefordert sind. Das fehlende Wissen führt zu einer «unprofessionellen» Begleitung, indem die Kinder zum Teil zu eng oder in der falschen Situation begleitet werden. 

Erziehungswissenschaftlerin Bea Zumwald hat sich in einer explorativen Fragebogenumfrage (2014) mit Spannungsfeldern beim Einsatz von Klassenassistenzen befasst. Zur Bearbeitung des beschriebenen Spannungsfeldes zeigt sie zwei Möglichkeiten auf: Einerseits wird die Kompetenz der Klassenassistenz dadurch erhöht, indem sie Informationen über wichtige Zusammenhänge und Förderziele, inklusive deren Auswirkungen auf das Handeln im Klassenzimmer, bekommt. Dieses Wissen kann je nach Ressourcen der Assistenzperson semi-professionelles Handeln unterstützen. Andererseits soll eine Deprofessionalisierung vermieden werden, indem der Umgang mit Situationen, die spezifische professionelle Kompetenzen erfordern, nicht an die Klassenassistenz delegiert werden. Deren Einsatz soll darauf ausgerichtet sein, dass die Klasse weiterarbeiten kann. Dadurch erhält die Lehrperson den Freiraum, sich der herausfordernden Situation selbst anzunehmen. Damit habe ich nur ein Spannungsfeld zum Einsatz von Klassenassistenzen beschrieben. Hier sind weitere Spannungsfelder und Fallstricke beschrieben, die zu einer Überforderung der Klassenassistenz und der Lehrperson führen können.  

Mein Fazit: Ich kann mir eine Schule ohne nicht pädagogisch ausgebildetes Assistenzpersonal nicht vorstellen. Kritisch stelle ich fest, dass in vielen Fällen eine Klassenassistenz von der Schulleitung oder vom Schulpsychologischen Dienst beantragt und angeordnet wird, ohne dass der Einsatz mit den notwendigen Rahmenbedingungen begleitet wird. Es kann nicht sein, dass eine Klassenassistenz die einzige Lösung ist, wenn sich herausfordernde Situationen häufen.
 

Datum

03.08.2021

Autor
Ruth Fritschi

Publikation
Standpunkte