Lehrermangel spitzt sich zu

Der Personalmangel an Schweizer Schulen verschärft sich. Im Kanton Bern ist die Lage besonders prekär. Einfache Lösungen wie höhere Pensen lösen das Problem kaum. 

Die Berner Bildungs- und Kulturdirektion wandte sich kurz vor den Sommerferien in einem Rundmail an die Uni Bern. Laut diesem sind in den bernischen Volksschulen über 200 Stellen unbesetzt. Das sind vier Mal mehr als 2019. Nach den Sommerferien sei nicht sichergestellt, dass alle Schulklassen mit einer Lehrkraft starten können. Nun sollen sich schon wie in den vergangenen Jahren Studierende auf die offenen Stellen bewerben und zumindest befristet einspringen. 

Kein regionales Problem

In der Schweiz herrscht schon seit Jahren akuter Lehrermangel. Insbesondere in Bezug auf den Zyklus 1, auf das Fach Französisch in der Deutschschweiz beziehungsweise das Fach Deutsch in der Romandie sowie auf Klassenlehrpersonen ist es schwer, Stellen mit adäquat ausgebildeten Lehrpersonen zu besetzen. Dies teilte der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH letzten August an seiner Medienkonferenz zum Schulstart mit. 

Viele Pensionierungen

Der Lehrermangel in der Schweiz ist unter anderem auf viele Pensionierungen zurückzuführen. Für die freiwerdenden Stellen gibt es jedoch trotz steigenden Ausbildungszahlen an den Pädagogischen Hochschulen zu wenig Bewerberinnen und Bewerber. Denn die Zahl der Kinder nimmt parallel zum generellen Wachstum der Bevölkerung zu. Gemäss dem Schweizer Bildungsbericht 2018 wird sich diese Situation erst in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts entspannen. 

Darum müssten die Anstellungsbedingungen verbessert werden, fordert der LCH. Lehrpersonen kündigen aus Überbelastung oder gesundheitlichen Gründen. Andere wandern in Kantone ab, in denen sie besser verdienen. Im Kanton Bern beläuft sich diese Lohndifferenz je nach Stufe und Berufserfahrung auf bis zu 10'000 Franken pro Jahr. Laut LCH muss der Lehrberuf attraktiver gemacht werden, damit er häufiger ergriffen wird und man auch im Beruf verbleibt. Erst so könne sich die Situation entspannen. Weitere Abbaumassnahmen würden die Schule schwächen.

Höhere Pensen als Allheilmittel?

Um dem Mangel an Lehrpersonen entgegenzuwirken, wird im Bildungsbericht zudem die Erhöhung von Pensen vorgeschlagen. Viel Lehrpersonen arbeiteten demnach in sehr kleinen Pensen. Wenn also die Lehrpersonen ihr Pensum um zehn Prozent erhöhten, liesse sich das prognostizierte Wachstum der Schülerschaft bei einem konstanten Betreuungsverhältnis bewältigen, wird dort vorgerechnet. «Die Forderung, dem Lehrermangel mit einer generellen Erhöhung der bestehenden Teilpensen entgegenzutreten, erscheint mir wie ein Ruf aus dem Elfenbeinturm», sagt Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin LCH, zu diesem Vorschlag. «Viele Lehrerinnen und Lehrer arbeiten in einem Teilzeitpensum, weil sie zu Hause noch eigene Kinder zu betreuen haben, in einer anderen Schule ein weiteres Pensum haben oder sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern.»

Spezifische Fachlehrpersonen wie Französischlehrerinnen, Logopäden oder Heilpädagoginnen sollte man nicht einfach durch Lehrpersonal ersetzen, fügt Rösler hinzu. Zuerst werde auch immer in den Teams geschaut, ob jemand aus dem Kollegium Lektionen übernehmen kann. «In der Regel versucht man hier alles, um die noch offenen Lektionen irgendwie zu verteilen», so die Zentralpräsidentin. Strukturelle Probleme brauchen denn auch strukturelle Lösungen, weshalb sich der LCH für gute Anstellungsbedingungen von Lehrpersonen einsetzt.

Datum

09.07.2021

Autor
Anna Walser