Streit um Sexualkundeunterricht – Wie weiter?

Das Bundesgericht hat Ende November 2014 entschieden: Alle Kinder müssen in Basel zum Sexualkundeunterricht. Zwei Familien hatten auf gerichtlichem Weg erreichen wollen, dass ihre Kinder dem Unterricht fernbleiben. Vorausgegangen war ein langer Rechtsstreit. 2016 soll nun eine entsprechende Initiative vors Volk kommen.

(lgh) Zwei Basler Familien klagten sich seit 2011 durch alle Instanzen, um ihre Kinder vom Sexualkundeunterricht für die Kindergartenzeit und während der 1. und 2. Primarschulklasse zu dispensieren. Er stelle einen unzulässigen Grundrechtseingriff dar, lautete ihre Begründung. Die Verwendung von «Sexboxen» im Sexualkundeunterricht gingen damals durch sämtliche Schweizer Publikumsmedien. Die Basler Regierung lehnte ihr Gesuch im Sommer 2012 ab. Das Appellationsgericht kam anschliessend zum gleichen Schluss, ebenso das Bundesgericht. Alle machten das öffentliche Interesse geltend. Der Sexualkundeunterricht beruhe auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage, sei verhältnismässig und somit zulässig. Das Bundesgericht begründete das Urteil, in dem es betonte, dass es «entscheidend ist, dass der Unterricht nur reaktiv erteilt und als Ergänzung zur Erziehungsaufgabe der Eltern verstanden wird». Das heisst, dass Lehrpersonen nur auf konkrete Fragen der Kinder reagieren.

Der Streit ist damit aber noch nicht beendet. Auf politischer Ebene geht er weiter. 2012 wurde aus konservativen Kreisen die Volksinitiative «Ja zum Schutz vor Sexualisierung in Kindergarten und Primarschule» lanciert. Übergeordnetes Ziel der Initiative ist es, in der Bundesverfassung festzuschreiben, dass Sexualerziehung Sache der Eltern ist, und dass die Schulen ab dem neunten Altersjahr des Kindes ergänzenden Sexualkundeunterricht anbieten können. Im Dezember 2013 wurde die Initiative mit 110 000 beglaubigten Unterschriften eingereicht. Das Initiativkomitee hat sich zum Bundesgerichtsentscheid geäussert und spart nicht mit Kritik. 

«Das Bundesgericht hält den Unterricht für verhältnismässig, bemerkt aber völlig widersprüchlich, dass sich das öffentliche Interesse auch erreichen liesse, wenn der Unterricht erst in höheren Klassen erteilt würde. Damit schwenke das Bundesgericht auf die Leitlinie der Volksinitiative ein. Zudem erkannte das Bundesgericht nicht, dass gerade das Vorliegen eines Lehrplans mit Lernzielen für Sexualkundeunterricht in Basel-Stadt den Beweis für systematischen und nicht nur reaktiven Sexualkundeunterricht darstelle, schreibt das Initiativkomitee weiter. 

Besagte Eltern, die sich ebenfalls für die Initiative stark machen, erwägen gemäss Angaben des Komitees, das Bundesgerichtsurteil an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte weiterzuziehen. Die Initiative «Ja zum Schutz vor Sexualisierung in Kindergarten und Primarschule» kommt voraussichtlich im Frühjahr 2016 vors Volk.

(Copyright Foto: Peter Larson)
 

Datum

16.01.2015