Wenn KIs die Hausaufgaben schreiben

Der Chatbot ChatGPT schreibt heute schon erstaunlich gute Texte und er wird immer besser: Vieles formuliert er automatisch richtig. Für Schulen stellt sich die Frage, was das für Unterricht und Hausaufgaben bedeutet.

Das Sprachprogramm ChatGPT generiert neue Texte basierend auf einer grossen Menge an Trainingsdaten. Foto: Unsplash/Gunnar Ridderström

Ein Chatbot sorgt für Schlagzeilen. Newsportale bezeichnen den Bot als «Fake-News-Schleuder». Er könne Matura- und Masterarbeiten schreiben, wird ihm nachgesagt. Der vom US-amerikanischen Unternehmen OpenAI programmierte ChatGPT kann sich tatsächlich in mehreren Sprachen schriftlich mit Userinnen und Usern unterhalten und dabei auch längere Texte selbst verfassen – egal zu welchem Thema. Innert weniger Sekunden fasst die Maschine auf Anfrage die «Leiden des jungen Werther» zusammen oder definiert den Begriff «Kreislaufwirtschaft».

Der Bot könnte also findigen Schülerinnen und Schülern die Hausaufgaben abnehmen. Das ist freilich nicht die Absicht seiner Entwicklerinnen und Entwickler. Eigentlich ist ChatGPT der Prototyp eines Chatbots, an dem immer noch geforscht und gearbeitet wird. Sein unterdessen drittes Sprachmodell basiert auf maschinellem Lernen. Für seine Lerndaten greift er unter anderem auf Text aus Online-Foren, News, Social Media und Bücher zurück. OpenAI will mit seinem Prototypen die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz (KI) erforschen.

Texte ohne Garantie für Korrektheit

ChatGPT kann wie erwähnt Fragen beantworten, Bezug nehmen auf Aussagen in einem Gespräch und auf korrigierende Einwände reagieren. «Er verblüfft mit fundierten und ausführlichen Antworten», bestätigt Beat A. Schwendimann. Der Leiter Pädagogik LCH leitet die Arbeitsgruppe «Digitale Transformation in der Schule».

«Das Modell liefert gelegentlich auch falsche Antworten und das mit absoluter Bestimmtheit.»

 

Problemlos sind die Informationen des Bots dennoch nicht. «Das Modell liefert gelegentlich auch falsche Antworten und das mit absoluter Bestimmtheit», warnt Schwendimann. ChatGPT wurde von einem KI-Experten schon als «in einem Moment brillant und im nächsten atemberaubend dumm» beschrieben. Aufgrund fehlender Quellenangaben lassen sich die Aussagen nicht einfach überprüfen. Automatische Texte kann man also nicht unkontrolliert übernehmen. OpenAI weist die Userinnen und User weist darum schon beim Login auf die Fehlbarkeit des Bots hin.

Schulaufsätze vom Bot

Dennoch vermag das Sprachmodell mit seinen Fähigkeiten zu beeindrucken. Es liefert innert Sekunden ausführliche Antworten auf verschiedenste Fragen – auf Deutsch und noch etwas besser auf Englisch, da das Modell dafür mehr Trainingsdaten gefüttert bekam.

Im Schulalltag ist die «Brillanz» des Bots problematisch. Lehrpersonen sind zwar bereits auf Plagiate sensibilisiert. Es ist allerdings schwieriger, das Werk des Bots zu erkennen. «Traditionelle Plagiatssoftware erkennt KI-generierte Werke kaum oder gar nicht, da es neu erstellte Texte sind», sagt Schwendimann. Die Texte sind jeweils Originale. Es gibt zwar KI-Erkennungsdienste, diese hinken aber den Text-Generatoren ständig hinterher.

Immerhin gibt es Nuancen, die auf maschinelle Urheberschaft hinweisen. Denn eine Stärke der Maschinen liegt in der Strukturierung – auch bei längeren Antworten. Die Sätze sind klar gebaut und der Text gut strukturiert. Dazu kommt oft eine fast makellose Rechtschreibung. Da der Bot nur von bereits bestehenden Texten und Erkenntnissen lernt, wirken seine Texte inhaltlich sehr generisch. Auch charakteristische grammatikalische und stilistische Fehler können Hinweise geben.

KI verändert die Schule und Berufswelt

Die Indizien, die auf einen automatisch geschriebenen Text hindeuten, sind allerdings nie eindeutig. Verständlicherweise sorgen sich Lehrpersonen, dass Schülerinnen und Schüler ihre Hausaufgaben von solchen Bots schreiben lassen. «Das wird sich nicht vermeiden lassen», sagt Schwendimann. Er leitet daraus eine zentrale Fragestellung ab: «Es muss eine grundsätzliche Diskussion über den Sinn und Zweck von Hausaufgaben geführt werden.»

Jedenfalls werden Anwendungen wie ChatGPT den Schulunterricht verändern. Schwendimann rät Lehrpersonen ihre Schülerinnen und Schüler in der Nutzung solcher Anwendungen zu unterstützen. «Ein Verbot würde nichts bringen. Zudem entspricht dies nicht der Berufswelt, wo KI zunehmend eingesetzt wird.»

Die Schülerinnen und Schüler sollen lernen, Anwendungen gezielt zu nutzen. Zum Beispiel können sie dem Chatbot eine Textaufgabe geben, müssen dann aber die Fakten prüfen und nach zuverlässigen Quellen recherchieren. Sie können zudem aus dem Bot-Text eine persönliche Schlussfolgerung ableiten und verfassen.

Für eine Zukunft, in der Maschinen immer mehr Aufgaben übernehmen, müssen alle dazu lernen, sagt Schwendimann. «Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen müssen sich vertieft mit den Grundlagen, der Nutzung und den Auswirkungen künstlicher Intelligenz für die Schule, die Berufswelt und den Alltag beschäftigen.» Es ist sicher gut, damit jetzt schon zu beginnen. Denn auch nächstes Jahr wird es neue Anwendungen geben, die findige Schülerinnen und Schüler als Abkürzung für die Hausaufgaben verwenden.

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Unternehmen OpenAI

ChatGPT auf openai.com

Datum

23.12.2022

Autor
Patricia Dickson