Standpunkte

Wesentliche Fakten auf dem Tisch

Lange wurde er erwartet, jetzt ist der Vertiefungsbericht zur Sonderpädagogik endlich da. Dorothee Miyoshi, Geschäftsleitungsmitglied LCH, ist erfreut darüber. Sie erwartet nun, dass Verwaltung und Politik die offenen Fragen lösen. 

Dorothee Miyoshi, Mitglied der Geschäftsleitung LCH

Ende September ist der umfassende und detaillierte Bericht «Sonderpädagogik in der Schweiz» erschienen. Die Autorin Beatrice Kronenberg schliesst damit eine bis anhin existierende gravierende Lücke im Schweizer Bildungsmonitoring. Sie liefert essenzielle Daten, Fakten und Studienergebnisse. Diese erlauben es erstmals seit dem Erscheinen des Bildungsberichts, die integrative Schule in der Schweiz effektiver zu steuern und anhand von Fakten weiterzuentwickeln. Dank dem fundierten Know-how der Verfasserin liegt eine qualitativ hochwertige Bestandsaufnahme vor, welche die gesamte Bildungslaufbahn umfasst. In Auftrag gegeben haben den Bericht das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) und die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK).

Sachverhalte, die von den kantonalen und nationalen Verbänden seit Jahren moniert worden sind, werden sachlich und klar offengelegt. So zum Beispiel der seit jeher bestehende Mangel an sonderpädagogischen Fachleuten. Beatrice Kronenberg bescheinigt diesem Mangel «gravierende Auswirkungen» auf das gesamte System. Diese werden durch die mangelnde Datenlage noch verschärft. Es ist derzeit weder flächendeckend feststellbar, wie viele sonderpädagogische Stellen nicht von adäquat ausgebildeten Personen besetzt sind, noch wie viel sonderpädagogisches Fachpersonal die Schweiz aktuell für die integrative Schule benötigt. Fundiert zeigt Beatrice Kronenberg auf, welche Forschungen und Überlegungen angestellt werden müssen, um dieses schwerwiegende Problem befriedigend zu lösen. Ebenso zeigt sie nachdrücklich die Schlüsselrolle der Schulleitungen bei der Realisierung und Führung integrativer Prozesse. 

In einem weiteren Kapitel beschreibt die Autorin, dass die Schweiz wenig Ahnung hat, wie viel Geld wo, wie und weshalb eingesetzt wird in Bezug auf die integrative Schule: «Unter dem Aspekt der Chancengerechtigkeit wäre es wichtig, zu wissen, wie viel Geld in den Bereich fliesst, wer davon profitiert und ob die Massnahmen effektiv und effizient sind.» Das hervorragende Grundlagendokument, das den Bildungsweg von der Geburt bis zu den Weiterbildungsmöglichkeiten präzise darlegt, bietet natürlich viel mehr als die drei hervorgehobenen Aspekte.

Jetzt liegen die Fakten gut zusammengestellt auf dem Tisch. Nun sind die Verantwortlichen in Verwaltung und Politik zusammen mit den involvierten kantonalen und nationalen Verbänden gefordert, zu den dargelegten offenen Fragen Lösungen zu entwerfen und die beschriebenen Lücken zu schliessen.

Es würde der Schweiz gut anstehen, wenn sie auch im Bereich der integrativen Bildung eine weltweite Führungsrolle einnehmen würde. Die dazu notwendigen Mittel kann sie mühelos aufbringen.

Datum

02.11.2021

Autor
Dorothee Miyoshi

Publikation
Standpunkte