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«Wiener»-Konferenz: Wenn politische Rituale zum Drama werden

Die drei Lehrerdachverbände aus Deutschland, Österreich und der Schweiz treffen sich jährlich zu einer trinationalen D-A-CH-Konferenz. Dabei tauschen sie jeweils ihre Erfahrungen und Positionen zu gemeinsamen und aktuellen bildungspolitischen Themen aus. Ende Januar fand dieses trinationale Treffen auf Einladung unserer österreichischen Kollegen just am Tag der Amtseinsetzung des neuen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen statt. Es gehört zum Ritual dieser «Angeloben», dass die gesamte Regierung ihren Rücktritt jeweils dem neuen Bundespräsidenten anbietet, der dann ebenfalls gemäss Ritual den Rücktritt ablehnt und die Regierung damit beauftragt, weiter zu regieren.

Doch diesmal wurde aus dem Ritual ein Drama und wir bekamen als Gäste der «Wiener-Konferenz» einen authentischen Einblick in die österreichische Politik – aus erster Hand von Aussenminister Sebastian Kurz. Das Foto zeigt die Mitglieder der Wiener D-A-CH-Konferenz mit dem noch jungen Aussenminister in der Mitte, der es sich nicht nehmen liess, an diesem turbulenten Tag das lange vorher vereinbarte Treffen mit den Lehrerverbänden im Pressezentrum des Aussenministeriums abzuhalten. Als zuständiger Minister für die Integration informierte er uns unter anderem über die vorgesehene Erhöhung der Bundesbeiträge für die Integration von Flüchtlingskindern. Dass diese Thematik für den Fortbestand der Regierungskoalition zum Prüfstein wurde, konnten wir dann live miterleben.

Was war geschehen?

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) stellte seinem Koalitionspartner, der österreichischen Volkspartei ÖVP, ein Ultimatum und sagte sogar seine geplante Israelreise ab, um nächtliche Krisensitzungen abzuhalten. Falls es der grossen Koalition nicht gelingen würde, sich endlich auf ein gemeinsames Arbeitsprogramm zu einigen, würde er als Bundeskanzler zurücktreten und beim Bundespräsidenten um Neuwahlen ersuchen.

Doch es kam anders. Nach einem Verhandlungsmarathon einigten sich die beiden Regierungsparteien schliesslich auf ein gemeinsames Arbeitsprogramm, das den schönen Titel «Für Österreich» trägt. Darin findet man auch das bildungspolitische Ziel, künftig alle Schülerinnen und Schüler mit Computern auszurüsten. Woher das Geld dafür kommen soll, bleibt allerdings ebenso unklar wie die Ausrüstung und Weiterbildung der Lehrpersonen. Aber so funktioniert nun mal Politik, meinte dazu der Vorsitzende der österreichischen Delegation: Gefragt sind mediale Ankündigungen und nicht gelingende Umsetzungen. Nicht im Arbeitsprogramm findet man jedoch die Halbierung der im letzten Jahr beschlossenen Obergrenze für die Zuwanderung, wie dies die ÖVP gefordert hat.

Es kam wie es kommen musste: Trotz der Meinungsverschiedenheiten bei der Integrationspolitik traten die Parteispitzen schliesslich geeint vor die Medien und verkündeten den neuen Burgfrieden. Und mein österreichischer Amtskollege sagte dazu nur: «Das ist der gefühlte 20. Neustart dieser Koalitionsregierung!»

Datum

07.02.2017

Autor
Beat W. Zemp

Publikation
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