Im Vergleich zur Herbstsession war die Wintersession, die am Freitag, 18. Dezember 2020, zu Ende ging, aus bildungspolitischer Sicht etwas ruhiger. Das mit Abstand wichtigste Geschäft betraf den Schutz der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen – die Rede ist vom Tabakproduktegesetz. Zum umstrittenen Gesetzesentwurf lagen vor der Diskussion im Nationalratsplenum rund 40 Minderheitsanträge vor. Bruno Rupp, Mitglied der Geschäftsleitung LCH, hatte in einem Interview vor einer Verwässerung des Gesetzes gewarnt.
Dem Tabakproduktegesetz die Zähne gezogen
Rupps Befürchtung, dass ein Werbeverbot mit zahlreichen Ausnahmeregelungen bloss zu einer Alibiübung verkomme, hat sich bewahrheitet. So schmetterte der Nationalrat die Minderheitsanträge für restriktivere wie auch für weniger starke Einschränkungen ab und folgte dem Vorschlag seiner Bildungskommission (WBK-N). Er beschloss, dass Werbung für Tabakprodukte in der Presse und auf Internetseiten, die nicht für Minderjährige bestimmt sind, erlaubt sein soll. Auch beim Sponsoring setzte sich der Vorschlag der WBK-N durch. Sponsoring soll verboten sein für Veranstaltungen in der Schweiz, wenn diese einen internationalen Charakter haben oder auf Minderjährige abzielen.
Zudem entschied die grosse Kammer, dass verkaufsfördernde Massnahmen für elektronische Zigaretten weiterhin möglich sind. Zuletzt stellte sie sich in zwei Punkten gegen die Beschlüsse der kleinen Kammer. Zum einen fiel die Meldepflicht für Firmen bezüglich ihrer Werbeausgaben weg und zum anderen wurde der Passus gestrichen, dass die Kantone jeweils strengere Werbe-, Sponsoring- und Verkaufsförderungsvorschriften erlassen können. In der Gesamtabstimmung wurde die Vorlage, die nun an den Ständerat zurückgeht, mit 84 zu 59 Stimmen bei 47 Enthaltungen angenommen. «Dieser Entscheid ist skandalös», schreibt die vom LCH unterstützte «Allianz für ein starkes Tabakproduktegesetz» in ihrer Medienmitteilung.
Übermittlungspflicht kommt der Lohngleichheit zugute
Einen Hoffnungsschimmer gab es dagegen aus Sicht von LCH und SER an der Gleichstellungsfront. Der Nationalrat hat zwei Vorstösse seiner Bildungskommission unterstützt, die die Lohngleichheit fördern wollen. Mit dem Gleichstellungsgesetz (GlG) sind seit dem 1. Juli 2020 Unternehmen mit über 100 Mitarbeitenden verpflichtet, Lohngleichheitsanalysen durchzuführen. Sie können aber entscheiden, ob sie diese Daten an den Bund übermitteln oder nicht. Dies soll sich nun mit der Parlamentarischen Initiative der WBK-N ändern, die der Nationalrat mit 114 zu 68 Stimmen bei einer Enthaltung zugestimmt hat.
Für eine Annahme hatten sich LCH und SER in einem Schreiben an die Mitglieder des Nationalrats stark gemacht: «Eine Meldung der Ergebnisse an den Bund erhöht die Präventionswirkung des GlG, die Transparenz und die Evaluationsmöglichkeiten.» Ebenfalls angenommen – mit 120 zu 62 Stimmen bei zwei Enthaltungen – hat die grosse Kammer ein Postulat der WBK-N, das eine Strategie zur Stärkung der Charta der Lohngleichheit verlangt.
Eltern müssen Integrationskosten nicht übernehmen
Der Nationalrat hat mit 129 zu 46 Stimmen bei zwei Enthaltungen eine Initiative des Kantons Thurgau abgelehnt, wonach fremdsprachige Familien die Kosten etwa für Übersetzungen bei Elterngesprächen oder für Zusatzunterricht in der Schulsprache selber hätten bezahlen müssen. Die Standesinitiative war als Reaktion auf den Bundesgerichtsentscheid vom Dezember 2017 eingereicht worden. Dieser berief sich auf das Recht auf einen unentgeltlichen Grundschulunterricht und taxierte eine solche Kostenbeteiligung der Eltern als nicht verfassungskonform. Nachdem bereits der Ständerat in der Herbstsession nicht auf das Anliegen eingetreten war, ist dieses nun vom Tisch.
Coronahilfe nun auch für öffentliche Kitas
Von den Corona-Finanzhilfen für die familienergänzende Kinderbetreuung sollen mehr Institutionen profitieren. Der Ständerat hat einer entsprechenden Motion der WBK-N mit 26 zu 14 Stimmen zugestimmt. Noch im September hatte das Stöckli eine gleichlautende Motion seiner Bildungskommission abgelehnt. Der Bundesrat muss nun die Mitte September ausgelaufene Covid-19-Verordnung über familienergänzende Kinderbetreuung rückwirkend so anpassen, dass Kitas in allen Kantonen gleichermassen unterstützt werden. Konkret sollen auch Institutionen berücksichtigt werden, die vom Kanton oder von der Gemeinde Subventionen erhalten oder von der öffentlichen Hand betrieben werden.