Standpunkte

Alle Stellen besetzt? Bei weitem nicht!

Für die meisten Kinder und Jugendlichen hat die Schule wieder begonnen, für viele Knaben und Mädchen war es der erste Schultag. Ich wünsche allen Glück und Freude auf ihrem Lernweg! So sicher wie der Schulbeginn sind zum Schuljahresbeginn auch die Meldungen in den Medien, dass alle Stellen besetzt seien und es den viel beschworenen Lehrermangel gar nicht gebe. Diese Meldungen sind irreführend und falsch, denn der Mangel an Lehrpersonen ist nicht auf den ersten Blick zu erkennen.

Schülerinnen und Schüler haben ein Recht auf Bildung. Auch wenn die Klassen zum Schuljahresbeginn nicht ohne Lehrperson dastehen, kann dies nicht über die angespannte Situation hinwegtäuschen, die an den Schweizer Schulen herrscht. Viele Schulleitungen finden es schwierig bis unmöglich, die Stellen adäquat, also mit korrekt ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern, zu besetzen.

Die Umstände sind bekannt: Deutlich mehr Kinder treten heutzutage in die Schulen ein, während ein grosser Teil der älteren Lehrerinnen und Lehrer in den kommenden Jahren pensioniert wird. Diese Lehrpersonen arbeiten zudem überdurchschnittlich oft Vollzeit. Oft werden sie durch zwei junge Lehrpersonen ersetzt, die Teilzeit arbeiten, denn viele junge Lehrerinnen und Lehrer reduzieren ihr Pensum, um ihre anspruchsvolle Aufgabe überhaupt zufriedenstellend erfüllen zu können.

Die jährliche Umfrage des Verbands der Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz VSLCH hat 2017 ergeben, dass rund die Hälfte der Schulleitungen befürchtet, in den nächsten fünf Jahren durch die steigende Anzahl von Pensionierungen Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Lehrerinnen und Lehrern zu haben. Ein Viertel der befragten Schulleiterinnen und Schulleiter gab weiter an, bereits im letzten Jahr kein oder nur teilweise für die Stufe qualifiziertes Personal gefunden zu haben. Für den ersten (Kindergarten und 1./2. Klasse) und zweiten Zyklus (3. bis 6. Klasse) beurteilt rund ein Fünftel der Schulleitungen die Stellensituation als schwierig respektive hoffnungslos. Für die Sekundarstufe I teilt ein Viertel der Befragten dieselbe Meinung.

Nach wie vor sind bestimmte Fächer und Bereiche stark vom Mangel an korrekt ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern betroffen. Besonders intensiv suchen Schulleitungen nach Schulischen Heilpädagoginnen und Heilpädagogen für die integrative Förderung. Zwei von drei Schulleitenden berichten, es sei schwierig bis hoffnungslos, die dringend benötigten Fachleute zu finden. Problematisch ist die Situation auch bei den Lehrerinnen und Lehrern für den Französischunterricht im Zyklus 2 (3. bis 6. Klasse). Fast 40 Prozent der Schulleitungen, die sich hierzu geäussert haben, beurteilen die Stellensituation als schwierig bis hoffnungslos. Bei den Fachlehrpersonen für Musik sei es in rund 20 bis 25 Prozent der Fälle mühsam bis unmöglich, eine Stelle adäquat zu besetzen.

Schulleitungen machen sich berechtigte Sorgen über die künftige Rekrutierung von Lehrerinnen und Lehrern. Das Bundesamt für Statistik prognostiziert, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler ab diesem Jahr auf allen Stufen der obligatorischen Bildung während mindestens zehn Jahren ansteigen wird. In acht Jahren werden es beispielsweise rund 116'000 Schülerinnen und Schüler mehr sein, die die Schweizer Schulen besuchen. Sie alle sollen von gut ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet werden und damit eine gute Bildung geniessen können.

Darum ist es nötig, dass für die anspruchsvolle Aufgabe der Lehrpersonen unterstützende Bedingungen geschaffen werden. Klassengrössen, Arbeitszeiten und auch der Lohn sind wichtige Anstellungsbedingungen, die angepasst werden müssen. Stattdessen werden vielen Lehrerinnen und Lehrern immer wieder Abbaumassnahmen zugemutet. Das ist die falsche Strategie, um den Nachwuchs für den Lehrberuf zu begeistern! Wenn unsere Kinder auch weiterhin gut ausgebildet sein sollen, wenn unsere Wirtschaft auch weiterhin prosperieren soll, dann ist jetzt von der Politik Weitsicht gefordert! Mit Weitblick in die Bildung investieren, lohnt sich! Denn sie zieht auch junge Leute in den Lehrberuf, die wir dringend brauchen!

Datum

29.08.2017

Autor
Franziska Peterhans

Publikation
Standpunkte