Standpunkte

Aus der Krise lernen

Die Pandemie ist bei Weitem noch nicht ausgestanden, aber der Übergang in die endemische Phase rückt näher. Franziska Peterhans, Zentralsekretärin LCH, fordert energisch, die kommende Normalität dafür zu nutzen, um sich gegen die nächste Krise zu wappnen. 

Franziska Peterhans, Zentralsekretärin LCH, fordert, die kommende Normalität dafür zu nutzen, um sich gegen die nächste Krise zu wappnen.

Es ist 7.45 Uhr, als ich diese Zeilen schreibe. Ich denke an die vielen Lehrerinnen und Lehrer, die um diese Uhrzeit ihren Unterricht beginnen. In diesen Tagen haben sie zwar einen Plan, wenn sie das Schulhaus betreten, aber auch eine grosse Ungewissheit. Sie fragen sich: Wie viele Kinder sind überhaupt da? Gibt es in meiner Klasse Infizierte? Muss allenfalls auch meine Klasse in Quarantäne? Wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen sind heute krank? Muss ich eine zusätzliche Klasse übernehmen oder notfallmässig Stunden abdecken? Was, wenn wieder Kinder ohne Maske in die Schule kommen und Eltern mich beschimpfen? 

Seit bald zwei Jahren sind Lehrerinnen und Lehrer in dieser äusserst anspruchsvollen Situation, die ihnen vieles abverlangt. Sie geben aber nach wie vor alles, um einen möglichst guten Unterricht für die Kinder sicherzustellen. Sie verlassen zwar kaum den Beruf, wechseln aber schneller die Stelle. Sie sind trotz hoher intrinsischer Motivation nicht mehr wie zu Beginn der Pandemie in der Lage, täglich zusätzliche Aufgaben zu übernehmen. Der Schulalltag in der eigenen Klasse ist herausfordernd genug, die stark beanspruchten physischen und psychischen Kraftreserven müssen eingeteilt werden. Kurz: Es ist nichts besser als vor Jahresfrist – im Gegenteil! 

Wie Schalmeienklänge tönen daher die Stimmen aus der Wissenschaft, die uns den Übergang in die endemische Phase prophezeien. Ja bitte – es reicht nun mit der Krise und wir bräuchten alle etwas Normalität. Die Zeit danach gönne ich jetzt schon allen von Herzen! Wir sollten sie aber auch nutzen, um für die Zukunft zu lernen und besser gerüstet zu sein. Denn bei allem Optimismus – die nächste Krise kommt wohl irgendwann. 

Zwei Dinge sind mir dabei besonders wichtig. Auf der einen Seite braucht es einen Gesundheitsschutz und insbesondere eine bessere Raumluft. Seit seinen gross angelegten Studien mit dem Schwerpunktthema Gesundheit aus dem Jahre 2017 fordert der LCH CO2-Messgeräte in den Schulen und falls notwendig angepasste Lüftungen. Denn wissenschaftlich ist erwiesen: Ab einem CO2-Gehalt von 1400 ppm ist die Lernleistung der Kinder beeinträchtigt. Die Grenze für die in der Pandemie relevante Aerosolübertragung liegt gar bei 1000 ppm. In den vielen Schulzimmern, in denen dieser Grenzwerte bereits nach 20 Minuten überschritten werden, muss endlich etwas passieren – dringend! 

Auf der anderen Seite braucht es ein Krisenmanagement, das in den Schulen besser greift. Sowohl Politologe Adrian Vatter als auch die beiden Epidemiologen Marcel Salathé und Christian Althaus schlagen einen nationalen Krisenstab mit führenden Exponentinnen und Exponenten von Bund und Kantonen vor. Eine prüfenswerte Idee, sofern die Spitzenvertretungen von systemrelevanten Branchen auch einbezogen werden. Die Bildung gehört definitiv dazu. In einer nächsten Krise wäre es wichtig, dass der LCH als Vertretung von 55’000 Lehrerinnen und Lehrern nicht nur als Auskunftspartner für die Medien dient. Vielmehr sollte der LCH die Interessen seiner Mitglieder direkt wahrnehmen und seine Expertise im erwähnten Krisenstab einbringen, der dann wirksame und einheitliche Massnahmen beschliessen und anordnen könnte. 

Denn auch wenn Flickenteppiche etwas Charmantes an sich haben – für das Leben mit einer Pandemie in den Schulen sind sie definitiv nicht geeignet! 

Datum

01.02.2022

Autor
Franziska Peterhans

Publikation
Standpunkte