Standpunkte

«Der Staat muss effizienter werden»

Im Samstagsinterview der NZZ vom 27. Juni fordert der neue Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP, ZH), dass der Staat effizienter werden müsse. Das gelte auch für das Bildungswesen. So könne man beispielsweise mehr Online-Lehrgänge im Studium anbieten anstelle von teurem Präsenzunterricht. Bei den Schulhausbauten müsse man darüber diskutieren, wie es 20 Prozent günstiger gehen könnte. Aber auch in der Volksschule könne man das Kosten-Nutzen-Verhältnis optimieren: «Geht das System unter, wenn wir einen Schüler mehr pro Klasse haben? Persönlich bin ich sicher, dass das nicht so entscheidend für die Bildungsqualität ist», lässt sich der Finanzdirektor zitieren.

Diese Salamitaktik ist fatal. Nein – das Schulsystem geht nicht unter, wenn man die Klassengrösse um einen Schüler anhebt. Aber die Zeit, die eine Lehrperson pro Schüler zur Verfügung hat, wird kleiner. Und dieser Betreuungsfaktor hat sehr wohl etwas mit Qualität des Unterrichts zu tun. Und nein – das Schulsystem geht nicht unter, wenn man die Pflichtlektionen der Fachlehrpersonen um eine Lektion erhöht. Aber die Zeit, die eine Lehrperson pro Lektion zur Vor- und Nachbereitung hat, wird kleiner. Und dieser Faktor hat sehr wohl etwas mit der Qualität des Unterrichts zu tun.

Die Palette an Sparmassnahmen im Bildungswesen, die unter dem Deckmantel der Effizienzsteigerung daher kommen, ist gross und erzeugt mitunter seltsame Blüten. So wollte beispielsweise der Luzerner Finanzdirektor Marcel Schwerzmann den Gymnasien und Berufsschulen zwei Wochen Zwangsferien verordnen, um die Pensenguthaben der Lehrpersonen abzubauen. Der Unterricht könne in den verbleibenden Wochen effizienter erteilt werden. Die Bildungsqualität sei daher durch diese Zwangsferien nicht gefährdet, liess er verlauten. Meine Antwort kam postwendend in der Tagesschau: «Schicken wir doch die Luzerner Regierung samt der ganzen Verwaltung zwei Wochen in die Zwangsferien. Der Kanton wird dadurch nicht schlechter regiert und verwaltet.» Das Kantonsparlament hat dieser Sparidee dann glücklicherweise eine Ende bereitet, nachdem die Empörung über diesen geplanten «Shutdown» immer grösser wurde und sogar Mittel- und Berufsschüler vor dem Regierungsgebäude gegen diese Sparmassnahme demonstrierten.

Bleibt zu hoffen, dass auch das Zürcher Kantonsparlament nicht auf diese Salami-Taktik des Finanzdirektors eingehen wird. Auch bei dieser Argumentation lohnt es sich, den Stil einfach umzukehren. Wie wär’s damit: «Geht das System unter, wenn wir die Steuern um 1% erhöhen? Persönlich bin ich sicher, dass das nicht so entscheidend für die Standortqualität ist.»

Datum

30.06.2015

Autor
Beat W. Zemp

Publikation
Standpunkte