Standpunkt-Kolumne

Die integrative Schule lebt

Medienschaffende und Personen aus der Bildungspolitik schauten dieser Tage interessiert nach Basel-Stadt. Neu sind dort wieder Förderklassen möglich. Geschäftsleitungsmitglied Dorothee Miyoshi erklärt, warum nur eine Schule davon Gebrauch macht.

Dorothee Miyoshi, Mitglied der Geschäftsleitung LCH. Foto: Gion Pfander

Eine Schule für alle bedeutet nicht, dass sämtliche Schülerinnen und Schüler immer zusammen in einem Klassenzimmer lernen. Viel eher hat die Schule ein vielfältiges Angebot und ermöglicht es den meisten Kindern des Quartiers am selben Ort zur Schule zu gehen. Diesen Grundsatz der integrativen Schule lässt sich derzeit gut im Kanton Basel-Stadt beobachten. Seit diesem Schuljahr gibt es die Möglichkeit, spezifische Förderklassen für Schülerinnen und Schüler mit Lernschwäche oder Beeinträchtigung zu gründen. Dies, nachdem das kantonale Parlament im vergangenen Jahr die Förderklasseninitiative angenommen hat.

Schulen setzen auf niederschwellige Massnahmen

Heute zeigt sich, wie die Schulen die Initiative umsetzen. Jeder der 30 Primarschulstandorte erhielt ein Budget, über das die Verantwortlichen selbst verfügen konnten. Obwohl der Prozess noch am Anfang steht, zeichnet sich eine eindeutige Tendenz ab: Mit überwältigender Mehrheit setzen die Schulen auf niederschwellige Massnahmen anstelle von Förderklassen. Das Geld wird beispielsweise in Lerninseln investiert. Dort können jene Schülerinnen und Schülern hingehen, die durch ihr Verhalten den Rahmen des Unterrichts sprengen. Ebenso werden Fördergruppen gebildet, wo Kinder unterstützt werden, die Lernschwierigkeiten aufweisen. Sie verbleiben aber grundsätzlich in ihrer Regelklasse.

Was wir von den ersten Erfahrungen im Umgang mit der Förderklasseninitiative lernen können, ist, dass sich die Verantwortlichen von Schulen genau überlegen, welche Angebote für sie sinnvoll sind.

 

Lediglich eine Primarschule plant bisher die Eröffnung einer permanenten Förderklasse. Warum stösst diese Massnahme nicht auf mehr Anklang? Erstens bindet eine Förderklasse viele Ressourcen, ist aber nur für wenige Schülerinnen und Schüler. Und zweitens stehen diese Ressourcen nicht mehr für andere Angebote der Schule zur Verfügung. Sowohl Lerninseln wie auch Fördergruppen sind in vielen Situationen idealere Lösungen, weil Kinder dort in der Regel nur einige Wochen verbleiben. Daher können mehr Schülerinnen und Schüler von den Angeboten profitieren. In der restlichen Zeit besuchen sie die gewohnte Klasse, von der sie auch ein Teil bleiben. Das Kind, die Klasse und die Lehrpersonen kommen so niederschwellig, unkompliziert und schnell am eigenen Standort zu mehr Unterstützung. Es sind also Lösungen, welche die integrative Schule tragfähiger machen.

Förderklassen, wo es sinnvoll ist

Was wir von den ersten Erfahrungen im Umgang mit der Förderklasseninitiative lernen können, ist, dass sich die Verantwortlichen von Schulen genau überlegen, welche Angebote für sie sinnvoll sind. Die vorhandenen Ressourcen setzen sie umsichtig ein. Basel-Stadt schaut auf eine lange Praxis des integrativen Unterrichts zurück und weist daher auch grosse Expertise auf. Scheuklappen hat man jedoch keine. Denn die Eröffnung einer Förderklasse ist – wo sinnvoll – auch eines der Instrumente, das zu einer integrativen Schule gehört.

Der «Standpunkt» ist eine monatliche Kolumne der Geschäftsleitungsmitglieder des LCH. Die Aussagen geben die persönliche Meinung der einzelnen Autorinnen und Autoren wieder.

Datum

17.09.2025

Autor
Dorothee Miyoshi

Publikation
Standpunkte