Bücher wurden schon oft totgesagt. Lesen wird jedoch eine zentrale Kulturtechnik bleiben, denn es ist keine Nostalgie, sondern Voraussetzung für Teilhabe und Demokratie. Doch ist das Lesen unter Druck. Junge Menschen konsumieren mehr und mehr Videoclips, Memes und KI-generierte Zusammenfassungen. Internationale Studien zeigen eine bedenkliche Entwicklung: In der Schweiz verfügt rund ein Viertel der 15-Jährigen nur über unzureichende Lesekompetenz. Und damit verringert sich auch die Lesefreude. Knaben bewerten das Lesen häufiger als Zeitverschwendung als Mädchen.
Eine Verflachung des Denkens
Erschwerend hinzu kommen politische Entwicklungen. In den USA verschärfen Buchverbote in Schulbibliotheken die Situation, oft bei Titeln zu Rassismus, Sklaverei oder LGBTQ-Themen. Aber auch neue Technologien machen vertieftes Lesen von Texten vermeintlich obsolet. Generative KI liefert eine Flut an Texten, die von den Nutzerinnen und Nutzern lediglich oberflächlich gescannt werden. Laut der Shallowing-Hypothese führt dies auch zu einer Verflachung des Denkens.
Dabei wäre «Deep Reading» wichtig. Dieses entsteht erst durch konzentriertes, längeres Lesen – was Zeit und Denkanstrengung erfordert. Zudem zeigt die Forschung, dass längere Texte besser gedruckt als auf dem Bildschirm gelesen werden. Dabei vernetzen wir Ideen, halten Ambivalenzen aus, schulen Empathie und legen die Basis für kritisches Denken. Wo diese Grundlage fehlt, steigt die Anfälligkeit für Desinformation.
Es liegt an den Eltern und an der Schule die Leselust bei den Kindern zu wecken.
Es gibt auch Entwicklungen, die Grund zu Optimismus bieten. Auf TikTok etwa macht der Hashtag #BookTok das Lesen sichtbar und attraktiv, insbesondere mit Coming-of-Age- und Fantasy-Titeln. Jugendliche organisieren virtuelle Lesekreise. In den USA entstehen «Banned Book Clubs», in denen gerade verbotene Werke diskutiert werden. Bibliotheken und Buchhandlungen entwickeln sich zu sozialen Lern- und Erlebnisräumen mit Lesungen und konsumfreien Arbeitsplätzen. Manche Schulbibliotheken lassen die Kinder beim Bestandsaufbau mitbestimmen. Andere bauen Hürden ab, indem sie Bücher nicht mehr nach Mädchen- oder Knabenliteratur unterteilen.
All dies zeigt: Die Angebote und das Bedürfnis sind vorhanden. Es liegt an den Eltern und an der Schule die Leselust bei den Kindern zu wecken.