Medienkonferenz zum Schulstart

«Ohne Druck bewegt sich in der Bildungspolitik nichts»

Der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz lancierte an einer Medienkonferenz in Bern eine nationale Kampagne zur Bekämpfung des Lehrpersonenmangels.

SER-Präsident David Rey, LCH-Präsidentin Dagmar Rösler und Beat Schwendimann, Leiter Pädagogik LCH (v.l.).

Das neue Schuljahr beginnt bald. Viele Schulen kämpfen allerdings mit dem gleichen Problem wie im Vorjahr: Sie sind auf pädagogisch unausgebildetes Personal angewiesen, um alle Stellen besetzen zu können. Im Kanton Bern beispielsweise unterrichten aktuell über 2000 von insgesamt 15'500 Lehrpersonen ohne anrechenbare Qualifizierung, schrieb die Berner Zeitung im Juli. Zu den Lehrpersonen ohne Diplom gehören auch Studierende der Pädagogischen Hochschulen, die ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen haben. 

Um dem Lehrpersonenmangel entgegenzuwirken, hat der LCH zusammen mit den kantonalen Verbänden nun den «Aktionsplan Bildungsqualität» lanciert. Ziel ist es, die Qualität der Bildung an Schweizer Schulen zu sichern und den Lehrpersonenmangel zu entschärfen. An der Medienkonferenz vom 10. August in Bern informierte der LCH rund 15 Vertreterinnen und Vertreter lokaler und nationaler Medien über das Vorhaben. Weitere Informationen gab es zur Gewalt an Schulen in der Romandie und zu Künstlicher Intelligenz an Schulen.

Die Fachkräfte von morgen

«In vielen Kantonen hat die Bildungspolitik zu lange nichts unternommen», sagte Dagmar Rösler, Präsidentin LCH, vor den Medien. Die Folge dieser Untätigkeit sei, dass an vielen Schulen Lehrpersonen arbeiten, die keine pädagogische Ausbildung haben. «Wir danken diesen Menschen für ihren Einsatz in einer Notlage», so Rösler. «Trotzdem ist für den LCH klar, dass dies nicht zum Normalfall werden darf.» Gerade die steigenden Anforderungen an den Lehrberuf machten eine adäquate Ausbildung unverzichtbar. Nur so könne die hohe Bildungsqualität an Schweizer Schulen erhalten werden. Abstriche in diesem Bereich seien inakzeptabel, denn: «Die Schülerinnen und Schüler sind die Fachkräfte von morgen.»

Berufsattraktivität statt Lehrermangel

Der LCH hat sich in den letzten Monaten intensiv über die Situation Gedanken gemacht. Das Resultat: Zusammen mit den Kantonalsektionen und weiteren Organisationen aus dem Bildungsbereich lanciert der LCH nun den «Aktionsplan Bildungsqualität». Der Lehrberuf soll dadurch wieder attraktiver werden, damit mehr geeignete Personen den Beruf ergreifen. Gleichzeitig sollen die Arbeitsbedingungen verbessert und die Arbeitsbelastung reduziert werden.

«Die Erfahrungen der letzten Jahre haben uns gelehrt: Ohne Druck bewegt sich in der Bildungspolitik nichts», sagte Rösler. Mit dem Aktionsplan wolle der LCH zusammen mit den Kantonalverbände in die Offensive gehen. Eine nationale Kampagne und konkrete Lösungsvorschläge sollen Veränderungen anstossen.

Wichtige Rolle in den Kantonen

Weil Bildungspolitik in der Schweiz in die Verantwortung der Kantone fällt, müssen Lösungen auch auf kantonaler Ebene gefunden werden. Die kantonalen Lehrpersonenverbände spielen beim Aktionsplan also eine wichtige Rolle. «Wir wollen aber keine reine Pflästerlipolitik betreiben und von Kanton zu Kanton rennen, um die dringendsten Löcher zu stopfen», so Rösler. Der Aktionsplan soll darum auch als nationale Kampagne lanciert werden.

Ziel ist es, dass die Bildungsqualität in den Kantonen als Auftrag und als Ziel verankert wird – sei es über die Parlamente, über Druck aus der Bevölkerung oder über Volksinitiativen. Der Aktionsplan weckte die Neugierde der anwesenden Journalistinnen und Journalisten. Unter anderem wurde gefragt, ob es nicht zu lange dauere bis solche Massnahmen greifen. «Wir haben jetzt Notlösungen, mit denen wir vorerst leben müssen», antwortete Rösler und verwies darauf, dass die Lehrpersonenverbände schon lange auf das Problem aufmerksam gemacht haben. Langfristig müsse es nachhaltige Lösungen geben – in den Kantonen. «Wir können nur etwas erreichen, wenn wir mit dem Aktionsplan unsere kantonalen Sektionen unterstützen.»

Der Aktionsplan soll in den nächsten Wochen konkretisiert werden. Offizieller Start der Kampagne ist im Spätherbst.

Gewaltstudie in der Westschweiz geplant

David Rey, Präsident des SER, informierte an der Medienkonferenz über Untersuchungen zur Gewalt an Schulen in der Romandie. Eine von der jurassischen Lehrerinnen- und Lehrergewerkschaft veröffentlichte Studie zeigt: Jede zweite Lehrperson wurde in den letzten fünf Jahren Opfer von körperlicher oder verbaler Gewalt, auch in Form von Mobbing. Nun planen weitere Westschweizer Kantone ähnliche Analysen. «Die Behörden dürfen nicht zuschauen, wenn Lehrerinnen und Lehrer bedroht werden», sagte David Rey.

Künstliche Intelligenz an Schulen nicht verbieten

Beat Schwendimann, Leiter Pädagogik beim LCH, sprach über das Thema Künstliche Intelligenz an Schulen. Es sei wichtig, Schülerinnen und Schüler auf einen kompetenten und verantwortungsbewussten Umgang mit digitalen Technologien vorzubereiten. Die beiden Verbände sprechen sich darum gegen ein Verbot von KI-Werkzeugen aus, plädieren aber für eine pädagogisch sinnvolle Strategie für die zweckmässige Nutzung von KI wie etwa ChatGPT. Für Lehrpersonen seien entsprechende Weiterbildungen nötig. Wichtig seien zudem nationale und internationale Regelungen zum Datenschutz sowie ethische Leitlinien.

Datum

10.08.2023

Autor
CK