«Ergänzungsprüfung ist keine Schikane»

Künftig sollen sich Personen mit Berufsmatura im Kanton Bern ohne zusätzliche Prüfung zur Primarlehrperson ausbilden lassen können. Dies hat der Berner Grosse Rat entschieden, die zweite Lesung erfolgt im März 2022. Was der Entscheid für die Pädagogische Hochschule PHBern bedeutet, erklärt Rektor Martin Schäfer im Kurzinterview.

Foto: Adrian Moser

An der PHBern studieren bereits jetzt Personen, die nicht den Weg über die gymnasiale Matura gegangen sind. War die Ergänzungsprüfung Ihrer Erfahrung nach bisher ein grosser Hinderungsgrund, das Studium anzugehen?

Gut die Hälfte der Studierenden kommt nicht mit einer gymnasialen Maturität ans Institut Primarstufe der PHBern. Bewährt haben sich sowohl die Fachmaturität Pädagogik als auch die Zulassung über die Ergänzungsprüfung für Berufsleute mit oder ohne Berufsmaturität. Die Ergänzungsprüfung gibt es auf zwei Niveaus: Niveau I entspricht der Fachmaturität Pädagogik und erlaubt das Studieren am Institut Primarstufe, Niveau II entspricht der gymnasialen Maturität. Zur Vorbereitung auf die Ergänzungsprüfung gibt es an der PHBern einen freiwilligen Vorbereitungskurs, der ein oder zwei Semester dauert. Wer die Ergänzungsprüfung schafft, hat die Gewissheit, dass sie oder er die fachlichen Voraussetzungen für das Studium an der PHBern erfüllt. Dies hat sich sehr bewährt, was auch die Studierenden selber immer wieder betonen. Personen mit einer Berufsmaturität und einigen Jahren Berufserfahrung bringen in der Regel gute Voraussetzungen mit, engagierte und kompetente Lehrpersonen zu werden. 

Für die neuen Studierenden ohne Ergänzungsprüfung wird ein separater Lehrgang nötig sein. Welche Konsequenzen zieht das für die PHBern nach sich?

Entscheidend ist, dass die regulären Studierenden am Institut Primarstufe weiterhin ein schweizweit gültiges Lehrdiplom erhalten und einen Bachelorabschluss, der die Anschlussfähigkeit an weitere Studiengänge wie etwa Schulische Heilpädagogik garantiert. Um die nationale Anerkennung zu gewährleisten, dürfen die beiden Ausbildungsgänge nicht vermischt werden.

Wie stellen Sie sicher, dass auch die neu ausgebildeten Lehrpersonen eine qualitativ hochstehende Ausbildung erhalten?

In der Debatte im bernischen Grossen Rat wurde immer wieder betont, dass bei den zu erreichenden Kompetenzen keine Abstriche gemacht werden sollen. Das heisst für die PHBern, dass die meisten Studierenden mit Berufsmaturität, aber ohne Ergänzungsprüfung in den sechs Semestern an der PHBern neben dem Erfüllen der regulären Anforderungen einen zusätzlichen Aufwand leisten müssen, um die fehlenden fachlichen Kompetenzen zu erwerben. Je nach Berufsmaturitäts-Typ wird dieser zusätzliche Effort beispielsweise in den Fremdsprachen oder im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich liegen. Schon jetzt mache ich mir Sorgen, dass viele ihr Studium verlängern oder abbrechen werden, weil sich der vermeintlich einfachere Weg als sehr steinig erweisen dürfte.

Der Grosse Rat hofft mit diesem Entscheid, den Druck auf eine schweizweite Anpassung der Aufnahmebedingungen zu erhöhen. Wie schätzen Sie den Entscheid vor diesem Hintergrund ein? 

Im nationalen Parlament gibt es einen Vorstoss, der ebenfalls die prüfungsfreie Zulassung für Personen mit Berufsmaturität verlangt. Ich kann nicht beurteilen, wie gross dessen Chancen sind. Ich bin aber überzeugt, dass es der falsche Weg wäre. Denn die heutige Ergänzungsprüfung ist keine Schikane, sie legt die Basis für ein erfolgreiches Studium. 

Datum

03.12.2021

Autor
Deborah Conversano