Wer eine Berufsmatura abgeschlossen hat, soll künftig auch ohne Prüfung zum Studium an der Pädagogischen Hochschule Bern zugelassen werden. Diesen Antrag stellt eine knappe Mehrheit der Bildungskommission an das Berner Kantonsparlament, den Grossen Rat. Sie will mit dieser Änderung nicht nur dem Lehrpersonenmangel entgegenwirken, sondern zugleich den Druck auf eine schweizweite Anpassung der Aufnahmebedingungen erhöhen. Dies schreibt die Bildungskommission in ihrer Medienmitteilung vom 3. November 2021.
Bern soll kein Sonderzüglein fahren
Der kantonale Berufsverband der Berner Lehrpersonen, Bildung Bern, lehnt die vorgeschlagene Änderung dezidiert ab. In seiner Medienmitteilung vom 4. November warnt er vor den Folgen: «Dies bedeutet, dass der Kanton Bern eine Sonderlösung wählt und kantonale Diplome ausgestellt werden.» Dies könne nicht im Sinne einer Harmonisierung sein. Da die ersten Studierenden erst 2026/2027 abschliessen würden, würde es nicht gegen den aktuellen Lehrpersonenmangel helfen. Zuletzt mahnt Bildung Bern: «In Zeiten des Lehrpersonenmangels die Qualität der Ausbildung zu senken, ist falsch und kann sich zum Bumerang entwickeln.»
Bumerang-Effekt droht
Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin LCH, kann durchaus nachvollziehen, weshalb mit konkreten Massnahmen der Personalmangel an den Schulen angegangen werden soll. Sie blickt aber auf die Geschichte der Rekrutierung von Lehrpersonen zurück: Schon öfters bestand der Reflex, die Zugangshürden zu senken. Zeitgleich seien die Anforderungen an den Lehrberuf aber stetig gestiegen. «Damit wird das Gegenteil dessen erreicht, was eigentlich geplant ist – die Attraktivität des Lehrberufs wird verringert, was mittel- bis langfristig zu weniger Lehrpersonen führt», erklärt sie auf Anfrage von www.LCH.ch.
Mehr Kosten und Aufwand
Weiter kritisiert Rösler einen allfälligen Alleingang des Kantons Bern. Er würde nicht nur allen Bestrebungen zur Harmonisierung zuwiderlaufen, sondern auch die berufliche Mobilität der PH-Abgängerinnen und -Abgänger massiv einschränken. «Wer ein kantonales Diplom hat, kann in keinem anderen Kanton unterrichten.» Deshalb befürchtet die Zentralpräsidentin, dass viele Leute nachträglich ein Nachdiplomstudium absolvieren würden, um ein nationales Diplom erhalten. Das wiederum würde neue Kosten verursachen und wäre für die Betroffenen mit einem hohen Aufwand verbunden. «Es besteht die Gefahr einer Zwei-Klassen-Lehrerschaft mit unterschiedlichen Anstellungsbedingungen, was viele bildungspolitische und gewerkschaftliche Probleme mit sich bringen kann», warnt sie.
Quereinsteigende sind willkommen
Bereits heute steigt der Anteil an Studierenden, die ohne gymnasiale Matura, dafür über die Berufsmatura mit Ergänzungsprüfung an die PH Bern kommen. Diese zwei Zugänge haben sich neben der Fachmatura Pädagogik bewährt. Rösler ist auch froh um die Quereinsteigerinnen und -einsteiger: «Ihre Erfahrung und ihr Engagement in den Schulen gilt es weiter zu fördern, aber mit anderen Massnahmen.» Dies können ein auszubauendes Angebot für einen studienbegleitenden Berufseinstieg, Lehrgänge für Menschen über 30 oder die sogenannte Zulassung sur dossier sein. Rösler fasst zusammen: «Die von der Bildungskommission geplante Änderung der Zulassungsbedingungen wirft grosse Fragen bezüglich Nachqualifikation, Anerkennung und Ausbildung auf, was grosse Anstrengungen der PH mit ungeklärten finanziellen Auswirkungen erfordert.»