BILDUNG SCHWEIZ: Wann entdeckten Sie, dass Sie gerne schreiben? Half die Schule Ihnen dabei oder hinderte sie Sie eher?
LAURA DE WECK: Die Schule hat mir sehr geholfen. Als ich 15 Jahre alt war, musste ich eine Strafarbeit über Max Frisch schreiben, weil ich vermehrt zu spät kam. Ich schrieb ein kleines Dramolett über einen Polizeikommissar, der bei der Täterbefragung die berühmten Fragebögen von Frisch verwendet. Ich hatte einen solchen Spass dabei, dass ich danach alle meine Aufsätze in Dialogform schrieb. Meine beiden Deutschlehrer, erst Herr Gloor und dann Herr Luginbühl, akzeptierten meine Dialog-Aufsätze, ohne zu murren, im Gegenteil, sie unterstützen mich. Sogar meinen Matur-Aufsatz durfte ich als Hörspiel schreiben. Dass meine Lehrer ebenso wie ich an meine Dialoge glaubten, gab mir später das Selbstbewusstsein, mit meinen Stücken ans Theater zu gehen. Ich habe mich bei Herrn Gloor und Herrn Luginbühl dafür nie bedankt. Das würde ich jetzt gern nachholen: merci für diese Freiheit und diese Förderung!
Ein leeres Blatt, das sich nicht füllen will, ist für viele Schulkinder ein prägendes Erlebnis beim Verfassen eines Aufsatzes. Wie lässt sich das vermeiden oder besser damit umgehen?
Ich habe mal mit einer Schulklasse ein Theaterstück geschrieben. Am Anfang gab ich den Schülerinnen und Schülern folgende Aufgabe: Alle dürfen sich eine Figur ausdenken. Irgendeine. Und mit diesen Figuren wollen wir ein Stück schreiben. Die Mehrzahl entschied sich für Figuren, die super gut aussehen, reich und erfolgreich sind. Da erwiderte ich: Tut mir leid, aber eure Figuren sind unbrauchbar. Perfekte Figuren sind langweilig. Erst wenn jemand ein Problem hat, verbinde ich mich mit der Figur und werde von ihr berührt. Als die Schülerinnen und Schüler kapiert hatten, dass ihre Traumfiguren nur zu Helden würden, wenn sie ein Problem hätten, fingen sie an, über die Konflikte ihrer Figuren zu schreiben. Über Eifersucht, über Magersucht oder Alkoholsucht. Vermutlich über eigene Probleme, über die sie, unter dem Schutzmantel der Kunst, schreiben durften. Ich würde alle dazu ermutigen, über Probleme, Konflikte zu schreiben, die sie interessant finden. Das funktioniert immer.
Sie haben kürzlich eine Serie für das Schweizer Fernsehen geschrieben, in dem ein Schulkind lügt. Die Lehrerin von Emma findet das kreativ, die Eltern schrecklich. Was ging Ihnen beim Schreiben durch den Kopf?
Die Figur der Lehrerin in «Emma lügt» ist natürlich etwas überzogen gezeichnet. Aber ich sehe einfach, dass Lehrerinnen und Lehrer einen unfassbaren Spagat hinkriegen müssen zwischen Fakten und Fantasie. Die Pandemie hat uns nämlich eines gezeigt: Das Leben ist unberechenbar. Gleichzeitig haben wir gelernt, dass es viele Wissenschaftler braucht, die gut in der Schule aufgepasst haben und gut rechnen können, um die Pandemie mit Impfungen und weiteren Massnahmen zu besiegen. Nur: Wie macht man Kinder stark für eine unberechenbare Zeit, in der man gut rechnen muss? Das ist ein sehr schwieriger Job. Denn die Vermischung von Fakten und Fantasie ist Fake News, und das könnte das nächste grosse Unvorbereitete sein, worauf man die Kinder vorbereiten muss. Und ich bin dankbar, dass es Lehrer und Lehrerinnen gibt, die meine Kinder dabei begleiten.
Dieser Artikel erschien in der Januar-Ausgabe von BILDUNG SCHWEIZ.