Weniger Unterricht

Entlastungslektion für Klassenlehrpersonen führt in St. Gallen zu Unterrichtsabbau

St. Galler Klassenlehrpersonen erhalten mehr Zeit für organisatorische und administrative Aufgaben. Die gute Nachricht hat jedoch einen Haken: Im Gegenzug werden vier Pflichtlektionen gestrichen.

St. Gallen streicht Schulstunden und spart damit 6 Millionen Franken ein. Foto: iStock/Janny2

Eine Schulklasse zu führen, ist aufwendig. Oft steht Lehrpersonen dafür nicht genug Zeit zur Verfügung. Das sorgt für Unmut. Dennoch hat vergangenen Dezember der Solothurner Kantonsrat sich gegen die flächendeckende Einführung zusätzlicher Lektionen für das Klassenmanagement ausgesprochen. Im Kanton Bern werden seit August 2024 die Klassenlehrpersonen hingegen mit 5 Prozent ihrer Arbeitszeit und einer Funktionszulage von 300 Franken pro Monat entschädigt und damit entlastet. Noch einen anderen Weg geht der Kanton St. Gallen: Er hat im Januar 2025 ab August eine zusätzliche Entlastungslektion für Klassenlehrpersonen angekündigt. Sie erhalten also mehr Zeit für administrative und organisatorische Arbeiten.
 
Um die zusätzlich entstehenden Kosten zu reduzieren, streicht der Kanton allerdings im Gegenzug vier Lektionen auf Primar- und Oberstufe: Von der dritten bis sechsten Klasse fällt pro Schuljahr eine Stunde weg. Betroffen sind die Fächer Englisch, «Natur, Mensch Gesellschaft», Französisch und Musik. Das entspricht einer Einsparung von sechs Millionen Franken.

Auf Kosten der Bildungsqualität

Was der St. Galler Regierungsrat als Lösung kommuniziert, kritisieren Berufsverbände als Sparmassnahme auf Kosten der Bildungsqualität. Das sei ein heikler Sparentscheid auf Kosten der Schülerinnen und Schüler, kritisiert der kantonale Lehrerinnen- und Lehrerverband (KLV) in einer Mitteilung. Für den Verband ist klar: «Eine Kürzung in der Stundentafel erfordert auch eine Abspeckung der Lernplaninhalte.»
 
Ähnlich äussert sich Dagmar Rösler, Präsidentin des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH). «Faktisch bedeutet das, dass Lehrpersonen eine Lektion weniger unterrichten und darum entlastet werden.» Konkret werden zum Beispiel in der fünften neu statt drei noch zwei Lektionen Französisch unterrichtet. Dasselbe gilt für Englisch in der dritten Klasse.

«Mit einem solchen Sparentscheid gefährdet die Regierung die Bildungsqualität im Kanton St. Gallen.»

 

Verband und Kanton sehen es nicht gleich

In einer Medienmitteilung betont der St. Galler Regierungsrat, dass so gekürzt werde, dass man «innerhalb oder knapp unter der Lehrplanvorgabe» bleibt. Er verteidigt die Umsetzung und verweist darauf, dass die Gemeinden eine kostenneutrale Finanzierung der Volksschulen forderten. In seiner Mitteilung betont er sogar: «Die Regierung erachtet diese Massnahmen als pädagogisch sinnvoll.»

Der KLV hingegen kritisiert, dass St. Galler Primarschulen in den betroffenen Fächern bereits jetzt unter den Lehrplanvorgaben lägen. «Mit einem solchen Sparentscheid gefährdet die Regierung die Bildungsqualität im Kanton St. Gallen.»
 
Umgesetzt werden die Massnahmen voraussichtlich ab August 2025. «Man muss genau beobachten, wie sich die Stundenkürzung für die Schülerinnen und Schüler auswirken werden», sagt Dagmar Rösler. Mit der Stundenkürzung beschreitet der Kanton St. Gallen jedenfalls neue Wege. In anderen Kantonen bestand die Lösung bisher darin, dass Klassenlehrpersonen weniger unterrichten – jedoch ohne Auswirkungen auf den Stundenplan der Kinder.

 

Datum

17.01.2025

Autor
Patricia Dickson