BILDUNGSFORSCHUNG

Handschrift regt Gehirn stärker an als Schreiben auf der Tastatur

Eine neue Studie zeigt, was beim Schreiben von Hand und dem Tippen auf der Tastatur im Gehirn passiert. Sie liefert Befürworterinnen und Befürwortern der Handschrift neue Argumente, schreibt Beat Schwendimann, Leiter Pädagogik LCH.

Das Schreiben von Hand löst im Gehirn mehr Aktivitäten aus als das Schreiben mit der Tastatur. Foto: iStock/Ugur Karakoc

Die Debatte über die Relevanz der Handschrift in einer zunehmend digitalisierten Welt ist eine lang anhaltende Diskussion. Während einige die Handschrift als eine unerlässliche Kulturtechnik betrachten, argumentieren andere, dass das manuelle Schreiben in der Ära von Tastaturen und Spracherkennungstechnologie überholt sei. 

Eine experimentelle Studie zweier norwegischer Neurologen liefert neue Argumente für die Befürworterinnen und Befürworter der Handschrift. Mittels dem neurologischen Diagnoseverfahren EEG untersuchten die Forscher 36 Personen, während diese visuell präsentierte Wörter entweder handschriftlich oder durch Tippen auf einer Tastatur notierten. Das Ziel dieser Studie war es, die Unterschiede in der Gehirnaktivität zwischen den beiden Schreibmethoden zu vergleichen.

Mehr Gehirnaktivität bei Handschrift

Die Ergebnisse zeigten, dass das Schreiben von Hand im Vergleich zum Tippen eine signifikant erhöhte Gehirnaktivität hervorgerufen hatte. Besonders bemerkenswert ist, dass die feinmotorischen Bewegungen des handschriftlichen Schreibens Hirnbereiche und -frequenzen anregt hatten, die für Lernprozesse und die Gedächtnisbildung wesentlich sind. 

Das Deutsche Schreibmotorikinstitut weist darauf hin, dass beim Handschreiben mehr als 30 Muskeln und 15 Gelenke koordiniert werden müssen, was zwölf verschiedene Hirnareale stimuliert. Im Gegensatz dazu führt das Tippen zu einer geringeren Hirnaktivität, da es sich um eine gleichförmige, repetitive Bewegung handelt – unabhängig davon, welcher Buchstabe getippt wird. Diese Ergebnisse werden durch die Forschung im Bereich der «Embodied Cognition» unterstützt, die besagt, dass kognitive Prozesse nicht unabhängig vom Körper stattfinden, sondern eng mit sensorischen Wahrnehmungen und körperlichen Bewegungen verbunden sind. 

Getippte Texte von höherer Qualität

Allerdings könnten die positiven Zusammenhänge zwischen Handschrift, Lernen und Gedächtnis auch durch andere Faktoren beeinflusst sein. Beispielsweise kann das langsamere Tempo des Handschreibens zu einem besseren Textverständnis führen. Es gibt jedoch auch Forschungsergebnisse, die nahelegen, dass am Computer verfasste Texte von höherer Qualität sein können, da sie nicht-linear bearbeitet werden.

Für Schulen ist die zentrale Erkenntnis dieser Studie, dass das Schreiben von Hand komplexere Gehirnaktivitäten auslöst als das Tippen, was die Lernprozesse und das Gedächtnis unterstützen kann. Die Autoren der Studie betonen jedoch, dass es nicht um eine Entscheidung zwischen dem einen oder dem anderen gehen sollte, sondern um den sinnvollen Einsatz beider Methoden. Da Handschrift und Tastaturschreiben unterschiedliche Gehirnareale aktivieren würden, sollten Lehrpersonen je nach Lernkontext die passende Schreibmethode auswählen.

Mit dem Auftauchen von Spracherkennungstechnologien, die auf künstlicher Intelligenz basieren, stellt sich das Problem noch einmal anders: Die Diskussion könnte sich damit künftig darauf konzentrieren, ob das Diktieren von Texten die vorherrschende Methode des Schreibens wird.

Weiter im Netz

Die Studie zum Unterschied von Handschrift und Schreiben an der Tastatur erschien am 26. Januar 2024 in Fachjournal Frontiers in Psychology. Sie ist hier auf der Webseite des Journals einsehbar.

Zur Person

Beat Schwendimann ist Leiter Pädagogik beim Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH). Auf LCH.ch schreibt er für die Rubrik Bildungsforschung über aktuelle Studien und darüber, was die Erkenntnisse für Schule und Bildung bedeuten.

Datum

18.03.2024

Autor
Beat A. Schwendimann

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