Mit dem Tabakproduktegesetz will die Regierung das Suchtproblem entschärfen. Das Parlament verlangt eine neue Vorlage, die nur unbestrittene Elemente der geltenden Tabakverordnung wie den Kinder- und Jugendschutz umfasst. Von Einschränkungen der Werbung im Kino oder auf Plakaten, der Verkaufsförderung und des Sponsorings wollen National- und Ständerat aber nichts wissen. Zu verzichten sei insbesondere auch auf die Meldung der Werbe- und Marketingaufwendungen. Bürgerliche Nationalräte sahen die freie Marktwirtschaft in Gefahr oder kritisierten die Gesetzesvorlage auch deshalb, weil sie Erwachsene bevormunden würde.
Mit 101 zu 75 Stimmen bei 14 Enthaltungen folgte die grosse Kammer daher am 8. Dezember 2016 dem Ständerat, der die Vorlage bereits in der Sommersession mit 28 zu 15 Stimmen zurückgewiesen hatte. Die Mehrheit von SVP, FDP und CVP brachte das Gesetz damit zu Fall. Die Rückweisung sei mit einem zu grossen Zeitverlust verbunden, gab Bundesrat Berset zu bedenken. Bis 2021 brauche es ein neues Gesetz, da die heutigen Regeln nur bis dann gälten. Mit dem Entscheid verliere man viel Zeit. Die neue Vorlage könne erst im Jahr 2019 wieder im Parlament behandelt werden.
Kantone sind dem Bund voraus
Heute gilt ein Werbeverbot für Tabak in Radio und Fernsehen. Auch Tabakwerbung, die sich explizit an Minderjährige richtet, ist untersagt. Ein weitergehendes Verbot war bereits in der Vernehmlassung auf Kritik gestossen. Der Bundesrat hielt dennoch daran fest. Die Schweiz gehe mit den geplanten Regeln weniger weit als die meisten europäischen Länder, gab Berset zu bedenken. Auch manche Kantone kennen heute striktere Regeln als der Bund. In 15 Kantonen ist Plakatwerbung für Tabakprodukte bereits verboten. In zehn Kantonen dürfen keine Zigaretten an Minderjährige verkauft werden, in weiteren zwölf Kantonen gilt das Abgabealter 16 Jahre. Weltweit sterben jedes Jahr über 5 Millionen Menschen an den Folgen des Tabakkonsums. In der Schweiz sind es rund 9500 Personen. Der Tabakkonsum ist damit die häufigste vermeidbare Todesursache in der Schweiz.
Jugendschutz nicht ausreichend gewährleistet
Das schweizweite Verbot des Verkaufs von Zigaretten an Minderjährige, unterstützten die Parlamentarier hingegen mit grosser Mehrheit. Viele erachteten es auch als sinnvoll, noch weitere Werbeverbote, die sich speziell an Minderjährige richten, zu schaffen. Für Jürg Brühlmann, Leiter Pädagogische Arbeitsstelle LCH, ist klar: Die heutigen Werbeverbote schützen die Jugendlichen zu wenig. «Dass Tabakwerbung auf öffentlichem Grund mit dem Segen des Parlaments weiterhin möglich sein soll, ist aus Sicht von Schulen und Lehrpersonen unverständlich», sagt er. Seiner Ansicht nach, brauche es noch striktere Werbeverbote, um dem Schutz von Jugendlichen ausreichend Rechnung zu tragen. «Was nützen die Anstrengungen der Schulen und die Ausgaben des Bundes für die Prävention, wenn bereits vor dem Sekundarschulhaus wieder die ersten Plakate stehen und den Berufsschülern und Gymnasiasten gratis Zigaretten abgegeben werden?» Das Parlament müsse hier nochmals über die Bücher. «Im Umkreis von 300 Metern sollte es rund um Schulen keine Rauchwarenwerbung und keine Verteilaktionen geben. Zudem darf in von Schulen genutzten Social Media oder Apps keine Rauchwerbung auftauchen», fordert er. (sda/bm)
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Alle Details zum Geschäft des Bundesrates können Sie hier nachlesen: «Bundesgesetz über Tabakprodukte»
Jugendliche besser schützen!
Das Parlament hat das Bundesgesetzt über Tabakprodukte an den Bundesrat zurückgewiesen. Auch der Nationalrat will nichts von einem Werbeverbot wissen. Die freie Marktwirtschaft sei höher zu gewichten als die Prävention. Jürg Brühlmann, Leiter Pädagogische Arbeitsstelle LCH, kritisiert diesen Entscheid.
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