Keine verlässliche Interpretation möglich

Können wir uns über die PISA-Resultate 2015 freuen oder nicht? Die heutige Präsentation der Ergebnisse hat vor allem eines deutlich gemacht: Die Umstellung von Papiertests zu Computertests und die neue Art der Skalierung haben zu Punkteverschiebungen geführt, die eine verlässliche Interpretation der Resultate verunmöglichen.

Seit 2000 werden alle drei Jahre die Kompetenzen von 15-jährigen Schülerinnen und Schülern in den Fächern Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen getestet. Sie liefern detaillierte Informationen zu den Fähigkeiten der Jugendlichen, ermöglichen Vergleiche mit anderen Ländern und lassen Rückschlüsse zu, inwieweit sich Massnahmen innerhalb des Schweizer Schulsystems positiv oder negativ ausgewirkt haben. Solche Interpretationsmöglichkeiten hat man sich auch von den PISA-Resultaten 2015 erhofft.

Am Test teilgenommen haben 72 Länder, darunter 35 OECD-Mitgliedsländer. Von den insgesamt 540’000 Schülerinnen und Schülern im Alter von 15 Jahren haben rund 6600 Jugendliche aus der Schweiz den Test durchgeführt. Am 6. Dezember 2016 wurden die Ergebnisse von der OECD veröffentlicht. Die EDK hat gleichentags zur Medienkonferenz im Haus der Kantone nach Bern geladen. Christoph Eymann, Präsident der EDK, kündigte gleich zu Beginn der Konferenz an: «Die heutige Präsentation ist anders als früher. Der Wechsel vom Papiertest zum Computertest ist nur eine von vielen Veränderungen. Daher müssen wir sehr zurückhaltend mit den Resultaten umgehen.» Die Vorstellung der Ergebnisse fand in der Folge zwar statt, aber immer mit dem Vorbehalt, dass die Basis für das Vergleichen und Interpretieren nur in ungenügendem Mass gegeben sei.

Die Schweizer Resultate 2015
In Mathematik haben die Schweizer Jugendlichen 2015 mit 521 Punkten den besten Mittelwert in Europa erreicht. Weltweit sind sie damit auf Platz 2 aller OECD-Länder. Nur Japan ist mit 532 Punkten signifikant besser. In den Naturwissenschaften, die den Schwerpunkt der Erhebung von 2015 bilden, liegen die Schweizer Jugendlichen mit 506 Punkten deutlich über dem OECD-Durchschnitt von 493 Punkten. Beim Lesen liegt die Schweiz mit 492 Punkten wiederum im OECD-Mittelfeld und weist ein ähnliches Resultat wie ihre Nachbarstaaten Frankreich (499), Österreich und Italien (485) auf. Nur Deutschland hat mit 509 Punkten ein signifikant besseres Resultat erzielt.

Auffallend: Punkterückgang
Werden die Resultate hingegen mit jenen vor drei Jahren verglichen, so ist für die Schweiz wie auch für die meisten anderen Länder ein Punkterückgang feststellbar. «Gewisse Länder haben sogar sehr grosse Punktverschiebungen zu verzeichnen», stellte Stephan C. Wolter, Leiter Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung SKBF, an der Konferenz fest. «So ist Korea innert dreier Jahre um 30 Punkte nach unten gerutscht.» Die OECD erklärt diese Punktverschiebungen mit der neuen Art der Skalierung. Auch sagt sie, dass die Unterschiede nicht signifikant seien. Stephan Wolter wie auch die anwesenden Vertreter der EDK, des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation SBFI und des wissenschaftlichen PISA-Konsortiums Schweiz SRED sind sich jedoch einig: Die Punktverschiebungen sind teilweise derart gross, dass sie nicht vernachlässigt werden können. Die erstmals vollständig elektronisch durchgeführten Tests und andere vorgenommenen Veränderungen werfen zahlreiche Fragen zur Vergleichbarkeit der Daten auf, die geklärt werden müssen. «Wir werden uns dafür einsetzen, dass die heutige Situation einer Lösung herangeführt werden kann», betonte Christoph Eymann. In einem Brief an die OECD hat die EDK auf die Probleme der Vergleichbarkeit der Ergebnisse aufmerksam gemacht. Sie möchte damit erreichen, dass eine Diskussion zur Methodik entsteht und offene Fragen geklärt werden.

Viele Fragezeichen auch beim LCH
«Dass die Schweizer Resultate von PISA 2015 weder mit den Schweizer Resultaten des PISA-Zyklus 2000 bis 2012 noch mit den aktuellen PISA-Ergebnissen 2015 der anderen OECD-Länder verglichen werden können, ist sehr ärgerlich und unprofessionell», schreibt der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH in seiner Medienmitteilung vom 6. Dezember 2016. In derselben Mitteilung hat er unter anderem Fragen formuliert, die es von der OECD dringend zu beantworten gilt. Ohne die Klärung dieser Fragen sehen sich die Lehrerverbände LCH und SER gezwungen, sich dafür einzusetzen, dass die PISA-Millionen künftig für das nationale Bildungsmonitoring ausgegeben werden. (Text und Foto: Belinda Meier)

Medienmitteilungen
Medienmitteilung LCH vom 6. Dezember 2016: PISA 2015 – Viele Fragezeichen und keine neuen Erkenntnisse Medienmitteilung EDK vom 6. Dezember 2016: PISA 2015 – Neustart mit Fragezeichen


Pressestimmen

Schweizer Ärger über PISA-Ergebnisse (Luzerner Zeitung, 7.12.2016)
«Das Schulschwänzen ist ein riesiges Problem» (20 Minuten online, 7.12.2016)
Die Gewinner und Verlierer von «Pisa 2015» (NZZ online, 6.12.2016)
Bestnoten für Schweizer Schüler im Fach Mathematik (NZZ online, 6.12.2016)
Pisa-Studie: Schweizer Schüler überholen die Finnen (Tages-Anzeiger online, 6.12.2016)
Schweizer Schüler sind die besten Rechner (20 Minuten online, 6.12.2016)
Schweizer 15-Jährige sind die besten Rechner Europas (Tagesschau, SRF1, 6.12.2016)
Fokus: Sind die Pisa-Studien zuverlässig? (10vor10, SRF1, 6.12.2016)
PISA - Bestnote in Mathematik (Rendez-vous, Radio SRF 4 News, 6.12.2016)










 

Datum

06.12.2016