Mit Schülerinnen und Schülern über den Krieg sprechen

Wie sollen Lehrpersonen den Krieg in der Ukraine thematisieren? Philipp Ramming, Fachpsychologe für Kinder und Jugendliche, spricht im Kurzinterview über Medienkompetenz und darüber, wie wichtig verlässliche Referenzpersonen für Kinder und Jugendliche sind.

Philipp Ramming, Foto: zVg

Philipp Ramming, der Krieg in der Ukraine ist das dominante Thema in den Medien. Das beschäftigt auch Kinder und Jugendliche. Wie können Lehrpersonen darauf reagieren?

Kinder brauchen eine erklärbare Welt, um sich sicher zu fühlen. Die Schule kann genau hier einsetzen und einen Raum schaffen, in dem Kinder ihre Sorgen, Ängste und Fragen äussern können. So lässt sich gut auf das Thema Konfliktlösung, auch im Alltag und in der Schule, überleiten. Das führt vom Unfassbaren, Unheimlichen, das weit weg ist, hin zur konkreten Handlungsfähigkeit im sozialen Umfeld. Häufig steht die Frage «Warum?» im Raum. Hier kann es hilfreich sein, wenn man sie in die Fragen «Wofür? Zu welchen Zweck?» umwandeln kann. Das ist dann auch eine Grundlage für das weitere Thema der Medienkompetenz.

Junge Menschen informieren sich auf sozialen Medien, wo sie mit Falschinformationen und teils verstörenden Bildern konfrontiert werden. Wie lässt sich das aufgreifen?

Medienkompetenz ist in der heutigen Zeit wichtig, um psychisch gesund zu bleiben. Man sollte mit Schülerinnen und Schülern thematisieren, welche Informationskanäle in der Klasse benutzt werden, was vor allem Bilder emotional auslösen und wie man Quellen überprüft. Und ganz wichtig ist zudem eine gute Allgemeinbildung. Das zugrundeliegende Thema ist Manipulation. Da stellen sich zentrale Fragen wie: Ist das, was da gesagt wird, überhaupt möglich? Welche Wirkung hat das auf mich und was ist die Absicht dahinter?

Auf was ist zu achten, wenn in der Klasse Kinder sind, die selbst Krieg erlebt haben?

Kinder sind meistens in ihrem Alltag verhaftet. Lehrerinnen und Lehrer haben ein gutes Gespür dafür, ob diese Kinder von den Ereignissen ungewöhnlich stark absorbiert sind. Ein sorgfältiger Umgang bedeutet, bei allen wichtigen Diskussionen ein Auge auf sie zu halten und gegebenenfalls mit den Eltern Rücksprache zu nehmen.

Was sollen Lehrpersonen berücksichtigen, wenn sie im Klassenzimmer Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine oder aus Russland haben?

Auch bei diesen Kinder gilt, dass die Lehrerinnen und Lehrer ein Auge auf sie haben und eventuell im Einzelgespräch dem Kind versichern, dass es Unterstützung bekommt, wenn es diese braucht. Wie bei Todesfällen in Familien ist es vielen Kindern am wohlsten, wenn sie in der Schule einen beruhigenden 'courant normal' haben. Eine Nachfrage bei den Eltern wird je nachdem auch von diesen sehr geschätzt. Ganz im Sinne von «sich unaufgeregt kümmern».

Welche Fehler müssen Erwachsene, seien es Lehrpersonen oder Eltern, unbedingt vermeiden?

Im Flugzeug gilt, dass zuerst die Erwachsenen sich selbst die Sauerstoffmaske anziehen sollen, damit sie fähig bleiben, den Kindern zu helfen. Das gleiche gilt im übertragenen Sinn auch in der aktuellen Situation. Wenn die Lehrkräfte sich über ihre eigenen Gefühle im Klaren sind, können sie den Kindern Vertrauen und Sicherheit vermitteln. Kinder brauchen die Erwachsenen als verlässliche Referenzpersonen. Darum sollte man bei der Wahrheit bleiben, auch sagen, wenn man etwas nicht weiss und dass man bekümmert ist. Vermeintliche Beruhigungsaktionen an den Kindern, weil man selbst Angst hat, sind wenig hilfreich.

 

Datum

04.03.2022

Autor
Deborah Conversano