Der Entscheid fiel äusserst knapp: Mit einer Stimme Mehrheit beschloss die EDK an ihrer Jahresversammlung in Zürich Ende Oktober, Informatik als obligatorisches Fach und nicht als Grundlagenfach an allen Schweizer Gymnasien einzuführen. Damit werden alle Gymnasiastinnen und Gymnasiasten analog zum obligatorischen Fach «Wirtschaft und Recht» einen obligatorischen Grundkurs «Informatik» absolvieren. Die Note für diesen Kurs zählt für das betreffende Schuljahr, in dem der Kurs stattfindet, nicht aber für das Bestehen der Maturprüfung, wie dies bei einem Grundlagenfach der Fall gewesen wäre.
Dieser Kompromiss wird – wie fast immer in Helvetien – eine mittlere Unzufriedenheit bei allen betroffenen Kreisen auslösen. Er ist trotzdem richtig: Die Ersetzung des Programmierunterrichts an den Gymnasien Mitte der Neunzigerjahre durch eine reine Anwenderschulung von Standardsoftware war rückblickend gesehen nämlich ein fataler Fehler, der nun 20 Jahre später wieder korrigiert wird.
Zwar wäre die Einführung eines Grundlagenfachs mit Bezug auf die universitäre Fachdisziplin Informatik und der damit verbundenen höheren Stundendotation konsequenter gewesen. Doch dann wäre die Realisierung dieses Obligatoriums, das mehrere Schuljahre umfasst hätte, noch schwieriger geworden als dies bei der jetzt beschlossenen Variante der Fall ist.
Nun machen wir also sozusagen einen vorsichtigen Zwischenschritt bis zur nächsten grossen Revision des Maturitätsanerkennungsreglements MAR. Dann wird sich die Frage nach einem Grundlagenfach erneut stellen und zwar nicht nur für Informatik, sondern auch für Wirtschaft und Recht, was den Verteilkampf um die Lektionendotationen für die verschiedenen MAR-Fächer deutlich komplexer werden lässt als bei einem obligatorischen Fach.
Und wie geht es nun weiter? Die Kantone erhalten eine Übergangsfrist von vier Jahren, sobald das entsprechende Reglement der EDK und die Verordnung des Bundes geändert wurden, was voraussichtlich bis Mitte 2018 der Fall sein wird. Danach können die Kantone das neue obligatorische Fach in eigener Regie einführen. Je nach finanzieller Situation werden sie dies auch sehr unterschiedlich tun. Die einen würden das neue Fach am liebsten gleich kostenneutral einführen, indem sie andernorts die entsprechende Lektionendotation streichen zugunsten des neuen Fachs. Andere wiederum werden versuchen, Synergien im MINT-Bereich zu nutzen, um einen echten Mehrwert zu generieren, auch wenn dies mehr kosten wird. Denn die Weiterbildung der Lehrpersonen, geeignete Lehrmittel und eine gute IT-Infrastruktur kosten Geld. Dieses Geld ist aber sehr gut investiert.
Die Einsicht, dass «Computational Thinking» zu einer Schlüsselkompetenz im 21. Jahrhundert werden wird, ist inzwischen bei der grossen Mehrheit der Schweizer Bürgerinnen und Bürger angekommen. Das ist erfreulich. Die Gymnasien dürfen nicht nochmals den gleichen Fehler machen, den sie in den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts gemacht haben. Letzlich werden wir aber bei einem Grundlagenfach Informatik landen. Die Mühlen der Demokratie mahlen bekanntlich langsam!