Mehr Chancengerechtigkeit
Der LCH sieht keine Alternative zur Selektion, möchte sie aber verbessern. Die Selektion muss laut Positionspapier chancengerechter ausgestaltet werden. Wenn Schülerinnen und Schüler nicht ihren Fähigkeiten entsprechend eingeteilt würden, könne das auch volkswirtschaftliche Nachteile mit sich bringen.
«Das Ziel muss eine möglichst gerechte Zuweisung sein, die sich an den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler orientiert.»
Der LCH bezieht sich mit seiner Kritik auf Untersuchungen. Diese belegen, dass bei der schulischen Selektion nicht nur Leistung, sondern auch soziale und wirtschaftliche Faktoren eine Rolle spielen. Das müsse sich ändern, sagt Rösler: «Wir müssen soziale Ungleichheiten abbauen.» Diese problematische Seite der Selektion offenbart sich vor allem beim Übertritt in die Sekundarstufe und bei der anschliessenden Durchlässigkeit.
Für Rösler ist klar: «Das Ziel muss eine möglichst gerechte Zuweisung sein, die sich an den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler orientiert.» Im Positionspapier formuliert der LCH auch Umsetzungsvorschläge für den Schulalltag. Dabei sei es unter anderem wichtig, dass Lehrpersonen das Vertrauen der Schülerinnen und Schüler in ihre Leistungsfähigkeit stärken.
Durchlässigkeit fördern
Neben der gerechten Zuteilung legt der LCH einen zweiten Fokus auf die Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Leistungsniveaus. Laut Bildungsbericht wechseln nämlich nur 3,5 Prozent der Lernenden auf Sekundarstufe das Leistungsniveau. Dies obwohl laut Untersuchungen viele Schülerinnen und Schüler nicht niveaugerecht zugeteilt sind. Nicht jedes Schulmodell ist gleich durchlässig. Tendenziell durchlässiger sind laut Bildungsbericht kooperative und integrative Modelle. Rösler fordert nun: «Es braucht kantonale oder regionale Modelle, welche die Durchlässigkeit erhöhen.»
Im Positionspapier betont der LCH die Bedeutung integrativer und kooperativer Schulmodelle. In den Kantonen Bern, Luzern, Neuenburg oder Wallis sind solche verbreitet. Zum Teil können Schulgemeinden aus verschiedenen Modellen auswählen. Je nach Modell gibt es Stammklassen mit Niveaugruppen in bestimmten Fächern. Ein Wechsel des Niveaus in einem Fach ist so ohne Klassenwechsel möglich. Förderlich für die Durchlässigkeit ist auch räumliche Nähe, also wenn etwa alle Leistungszüge im selben Schulhaus untergebracht sind.
Selektion abschaffen?
Das neue Positionspapier wird in einer Zeit verabschiedet, in der über die schulische Selektion in den Medien und in der Politik kontrovers diskutiert wird. In den Kantonen Bern und Zürich lancierte der Verein für eine Volksschule ohne Selektion kürzlich Volksinitiativen. Diese wollen die Selektion in der obligatorischen Schulzeit abschaffen wollen. Die Selektion geschehe zu früh, kritisiert dort der Verein. Das Potential der Kinder könne noch nicht richtig eingeschätzt werden.
«Obwohl die Kantone auch in der Ausgestaltung der Strukturen sehr unterschiedlich aufgestellt sind, kann das Positionspapier die Kantonalverbände in ihrer Arbeit unterstützen.»
Auch der Verband Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz setzt sich für eine Abschaffung der Selektion ein. Für weitere Diskussionen ist also gesorgt. Das neue Positionspapier soll den kantonalen Lehrpersonenverbänden dabei Orientierung und Hilfestellungen bieten, wünscht sich Rösler. Sie ist überzeugt: «Obwohl die Kantone auch in der Ausgestaltung der Strukturen sehr unterschiedlich aufgestellt sind, kann das Positionspapier die Kantonalverbände in ihrer Arbeit unterstützen.»