Lehrpersonen bewerten ihre Zufriedenheit mit einer 4,2
Wie glücklich sind Lehrpersonen in ihrem Beruf? Eine neue Studie des LCH gibt Aufschluss darüber, wo der Schuh drückt. Ins Auge sticht, dass administrative Aufgaben überhandnehmen.
«Lehrerinnen und Lehrer sind grundsätzlich glücklich in ihrem Beruf – aber es gibt Warnsignale», sagte Dagmar Rösler, Präsidentin des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH), an einer Medienkonferenz am Donnerstag in Bern. Das zog sie als Fazit aus der aktuellen Studie zur Berufszufriedenheit. Sie basiert auf einer Umfrage unter 16'500 Personen, die im Frühjahr 2024 gemacht worden ist.
Über alle Bereiche hinweg würden die Lehrpersonen ihre aktuelle berufliche Zufriedenheit mit einer 4,2 auf einer Sechserskala bewerten. Als Note ausgedrückt entspräche das einem 4+, meinte Rösler. Dieser Wert hat sich gegenüber der letzten Umfrage im Jahr 2014 kaum verändert.
Positiv bewertet wurde insbesondere der Unterricht und die Arbeit mit der Klasse. Besonders gut bewertet wurde die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen (Note 4,7) und der Schulleitung sowie das Unterrichten (jeweils Note 4,6).
Aber es gibt auch Aspekte, mit denen Lehrpersonen unzufrieden sind, mit einigen davon notabene unzufriedener als 2014. Keine Nebensachen, wie Rösler betonte. So stören sich viele daran, dass der Anteil administrativer Aufgaben, wie Absprachen, Sitzungen, Weiterbildungen und Konzeptarbeiten stetig zunehmen würden. Rösler betonte: «Das frisst ihnen die Zeit für die sorgfältige Vor- und Nachbereitung des eigenen Unterrichts weg.» Auf diese Weise könnten die Lehrpersonen den eigenen Ansprüchen nach einem qualitativ hochwertigen Unterricht nicht gerecht werden.
Integrative Förderung stürzt Lehrpersonen in Dilemma
Genau hier komme auch die integrative Förderung ins Spiel, so Rösler. Lehrerinnen und Lehrer stünden grundsätzlich hinter der integrativen und individuellen Förderung, hält sie fest. Doch die vorhandenen Ressourcen reichten nicht aus. In der Studie seien zahlreiche Kommentare eingegangen, die schilderten, wie es an allen Ecken und Kanten an Mitteln für die richtige Umsetzung der integrativen Förderung fehlt, sagte Studienautorin Martina Brägger. Laufe alles gut, würden die Ressourcen zwar ausreichen. Dafür müssten aber alle Beteiligten an einem gemeinsamen Strick ziehen. Das ist aber längst nicht immer so – was Lehrpersonen in ein Dilemma stürzt: Entweder sie arbeiten mehr, als ihnen gut tut, oder sie schrauben die Ansprüche an ihre Arbeit hinunter. «Manche geraten ins Grübeln und hinterfragen die eigene Professionalität und Wirksamkeit», ergänzte Rösler.
Brägger drückte es so aus: «Die Lehrpersonen haben ihrer Meinung nach nicht die Mittel, um ihren Berufsauftrag so auszuführen, wie es ihrer Auffassung nach notwendig wäre.» Mit 3,7 erhält dieser Aspekt ein «ungenügend».
Doch wie lässt sich die unbefriedigende Situation beheben? Jedenfalls nicht indem die integrative Schule gekippt wird, wie dies die FDP seit kurzem fordert, machte Rösler klar. Aus Sicht des LCH könnten nur mehr Ressourcen diesen Trend abfedern. «Diese zusätzlichen Ressourcen sollen aber nicht gleichmässig auf alle Klassen verteilt werden», sagte Rösler. Viel eher sollen sie Puffer und Reservoirs schaffen, die bei besonderen Belastungen schnell und unbürokratisch zur Verfügung stünden. Fest stehe, sagt sie auch in Anspielung auf die politischen Diskussionen zum Thema: «Dauert die jetzige Situation an, droht ein Scherbenhaufen.»
Mühe mit dem Abschalten
Nicht ganz überraschend verschärft sich auch der Trend bei der Gesundheit. Verglichen mit den Zahlen aus dem Jahr 2014 sind die Bewertungen zur beruflichen Gesundheit gesunken. «Viele geben an, dass sie nach dem Arbeitstag Mühe haben beim Abschalten. Sie fühlen sich oft überlastet», sagte Rösler. Dabei handle es sich um ein Warnsignal. Die Gesundheit von Lehrpersonen sei von eminenter Bedeutung.
Tiefere Werte in der Romandie
Erstmals beteiligte sich auch der SER (Syndicat des enseignantes et enseignants de Suisse Romande) sowie Lehrerinnen und Lehrer aus dem Kanton Tessin und dem Fürstentum Liechtenstein an der Langzeitstudie. Die Auswertung basiert auf 16'500 Fragebogen. Die Stichprobe setzt sich zusammen aus 14'873 Lehrpersonen, 1124 schulischen Heilpädagoginnen und -pädagogen, 243 Schulleitungen sowie 72 Therapeutinnen und Therapeuten. Das entspricht einer guten Rücklaufquote von 36,4 Prozent. Während in der Deutschschweiz ein durchschnittlicher Wert von 4,2 resultiert, sind die Romands deutlich unzufriedener. Im Mittel resultiert eine 3,9. Für diese Diskrepanz gebe es mehrere Erklärungen, wie die Studienautorin Martina Brägger ausführte. So seien die Schulen in der Romandie tendenziell grösser und die Prozesse somit komplexer. Zudem sei die Schulsozialarbeit in der Deutschschweiz flächendeckend verbreitet und in der Romandie noch nicht. Am stärksten weicht mit 3,5 in der Deutschschweiz zu 2,5 in der Romandie die Bewertung der Wertschätzung in der Öffentlichkeit ab.
Gute Nachrichten gibt es von der Kindergartenstufe. Hier hat sich insbesondere im Bereich Lohn etwas getan. Denn die Lehrpersonen stellen eine überdurchschnittlich starke positive Entwicklung über die vergangenen zehn Jahre fest, heisst es in der Erhebung. Wurde 2014 der Teilbereich Lohn und Lohnentwicklung noch mit einer 3,6 bewertet, stieg dieser Wert per 2024 um satte 0,4 Punkte auf eine 4,0. Kindergartenlehrpersonen konnten von einer «überdurchschnittlich starken positiven Entwicklung über die vergangenen zehn Jahre» profitieren, heisst es in der Erhebung.
Grundsätzlich halten sich die positiven und negativen Aspekte des Berufs in beiden Erhebungen von 2014 und 2024 beinahe die Waage. «Was die Berufszufriedenheit angeht, können die letzten zehn Jahre als Stillstand bezeichnet werden», heisst es in der Studie. Mit gewissen Ausnahmen – etwa beim Lohn – ist es nicht gelungen, die bereits damals identifizierten Probleme und Quellen der Unzufriedenheit abzuschwächen. So stellt der Lehrpersonen- und Fachkräftemangel nach wie vor eine grosse Herausforderung dar. Fazit der Medienkonferenz: «Es gibt Luft nach oben.»
Weiter im Netz
Kommentar: «Zufriedene Lehrpersonen machen einen besseren Job» von LCH-Geschäftsführerin Antoinette Killias auf LCH.ch.
Medienmitteilung und Fotos: «Berufszufriedenheit der Lehrpersonen: Es gibt Luft nach oben» im LCH.ch-Mediencorner.
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Autor
Alex Rudolf
Publikation
Aus dem LCH
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