Wenn Bilder täuschen

Nicht immer steckt aufwendige Technik dahinter, wenn wir uns von Bildern täuschen lassen. Ein echtes Foto im falschen Kontext kann ebenso in die Irre führen. Das Vermittlungsangebot «From Print to Pixel» des Fotomuseums Winterthur sensibilisiert und klärt auf.

Noch nie war es so einfach, Fotos zu machen und sie weiterzuverbreiten. War einst die Empörung gross, wenn ein Bild als «gephotoshopt» entlarvt wurde, sind Filter heute gang und gäbe. Der kompetente Umgang mit Bildern will aber gelernt werden. Das hilft nicht nur, Bilder zu erkennen, die in einem anderen Zusammenhang als dem ursprünglichen genutzt werden oder gefälscht, manipuliert oder computergeneriert sind. Es ermöglicht auch, Bilder kreativ zu nutzen. 

Angebote für 12- bis 20-Jährige

Diese Überzeugung hat das Team des Fotomuseums Winterthur motiviert, das Vermittlungsangebot «From Print to Pixel» zu entwickeln. Es umfasst drei Workshops für die Sekundarstufen I und II, eine Website mit Artikeln von Fachleuten und kostenloses Unterrichtsmaterial auf Deutsch, Englisch und Französisch. Gegen 60 Klassen haben im vergangenen halben Jahr die neuen Workshops zu Bild- und Medienkompetenz besucht. Diese werden wahlweise im Fotomuseum Winterthur durchgeführt oder im Schulzimmer. «Wir haben festgestellt, dass die Lehrpersonen genauso interessiert sind wie die Schülerinnen und Schüler. Für einige sind viele Inhalte neu», berichtet Janis Huber, Projektleiter von «From Print to Pixel». Die Website zum Angebot bietet auch Lehrerinnen und Lehrern niederschwellige Möglichkeiten, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Für BILDUNG SCHWEIZ hat das Team von «From Print to Pixel» ein Bilderquiz zusammengestellt, das die verschiedenen Möglichkeiten, Bilder zu fälschen, illustriert. Raten Sie mit – sind die Bilder echt oder gefälscht? Und wie wurde getrickst?

Auflösung:

links: Hier wird keine echte Landschaft gezeigt, sondern es handelt sich um eine In-Game-Fotografie des Künstlers Ueli Alder. Der Screenshot wurde also in einem Videospiel erstellt.

rechts: Diese Katze gibt es nicht. Das Bild wurde durch einen Algorithmus künstlich erzeugt.

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links: Das Bild zeigt nicht eine demonstrierende Menschenmenge, wie der Tweet suggeriert und was durch die Angabe einer Bildquelle legitim wirkt. Es stammt stattdessen vom Mediencorner des Vereins Street Parade Zürich. Abgebildet ist auch nicht der Hafen von Triest, sondern die feiernde Menge an der Street Parade.

recht: Im «Blick» wurde 1997 durch Retuschierung die Wasserpfütze im Original mit roter Farbe eingefärbt. Durch die damit entstehende Umdeutung zur Blutlache wurde eine klare Verbindung zum Attentat beim Luxor-Tempel am vorhergehenden Tag hergestellt.

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links: Es handelt sich um einen sogenannten Deepfake: Obwohl Gesicht, Mimik und Stimme zu Facebook-Gründer Mark Zuckerberg passen, ist das Video eine Fälschung. Die beiden Künstler Bill Posters und Daniel Howe erstellten dieses, um auf die Technik aufmerksam zu machen.

rechts: Auf dem Bild ist ein Blobfisch zu sehen (Psychrolutes marcidus). Die bodenbewohnenden, bis zu 30 Zentimeter langen Fische leben in Tiefen von 600 bis 1200 Metern auf den Kontinentalabhängen im Südwestpazifik.

Auf unterschiedliche Arten manipulieren

Dass mit Bildern auf verschiedene Weise getäuscht oder getrickst wird, ist kein neues Phänomen – es ist seit den Anfängen der Fotografie der Fall. Eine Fälschung kann bereits durch die Wahl eines Bildausschnitts oder die Inszenierung von Bildelementen entstehen. «Ein wichtiger Unterschied ist, dass soziale Medien heute die Möglichkeit eröffnen, dass prinzipiell jeder und jede in kurzer Zeit ein riesiges Publikum erreichen kann», schreibt Karolin Schwarz im Fachbeitrag «Visuelle Fakes im Netz» auf der Website von «From Print to Pixel». 

Von Cheap Fakes und Deepfakes

Man unterscheidet unter anderem zwischen sogenannten Cheap Fakes, was man mit «billige Fälschungen» übersetzen könnte, und Deepfakes, also tiefgreifende oder tiefergehende Fälschungen. Für einen Cheap Fake braucht es keine oder nur bescheidene technische Hilfsmittel. So wird beispielsweise ein Bild mit einer erfundenen Geschichte verbreitet oder in einen anderen Zusammenhang gestellt. Ein Deepfake ist hingegen technisch ausgeklügelter. Durch eine Software werden Bilder, Videos oder Audiodateien erzeugt. Gesichter können dabei komplett künstlich generiert oder Videos von bekannten oder berühmten Personen geschaffen werden, in denen ihnen Worte in den Mund gelegt werden können.

Das kreative Potenzial ergründen

Nicht immer geht es bei der Bearbeitung von Bildern darum, andere zu täuschen. «Technologien, die für Fakes benutzt werden, bieten auch Chancen. So können sie Teil einer künstlerisch-kreativen Auseinandersetzung sein, bei Filmproduktionen oder zur Bebilderung historischer Ereignisse eingesetzt werden», erklärt Janis Huber. Deshalb ist das Ziel von «From Print to Pixel» auch nicht, mit erhobenem Zeigefinger auf die Gefahren der Bildbearbeitung hinzuweisen, sondern auf Augenhöhe verschiedene Zugänge zum Thema zu bieten. «Jugendliche sollen auch experimentierfreudig mit visuellen Fakes umgehen können, um so reflektiert und selbstbestimmt im Netz unterwegs zu sein», fasst der Projektleiter zusammen. In den Workshops ist daher generell auch ihre Expertise gefragt, denn häufig sind Jugendliche auf sozialen Medien sehr präsent und können selbst Wissen zur Bildbearbeitung und -nutzung weitergeben.

Kompetent sein heisst auch einmal innehalten

Wie erkennt man aber nun ein manipuliertes Bild? Dazu finden sich auf der Website von «From Print to Pixel» verschiedene Tipps. So wird beispielsweise die umgekehrte Bildersuche über kostenlose Angebote wie TinEye oder Google Images vorgeschlagen. Auch kann man in Suchmaschinen Schlagworte eingeben und dies entweder mit «Fake» oder mit «Faktencheck» ergänzen. Als wichtigsten Rat empfiehlt Karolin Schwarz in ihrem Artikel aber, besonders Fotos oder Videos nicht einfach unhinterfragt weiterzuschicken. Oft falle bei Fakes schnell auf, dass etwas nicht stimmen könne. «Viele Fakes funktionieren so gut, weil sie erst eine emotionale Reaktion erzeugen und aus der hervorgerufenen Wut, Furcht oder Trauer weiterverbreitet werden.» Also lieber zuerst kurz durchatmen, bevor man allenfalls dazu beiträgt, ein Fake-Bild zu streuen. 

Datum

16.11.2021

Autor
Deborah Conversano