Hassrede – von beleidigenden Witzen bis zu Gerüchten über Herkunft – ist für Schweizer Schülerinnen und Schüler kein abstraktes Problem. Das Forschungsprojekt «Hate» der pädagogischen Hochschule Bern unter Alexander Wettstein zeigt eine alarmierende Relevanz: Zwei Drittel (67 Prozent) der befragten Jugendlichen berichten davon, im letzten Jahr Hassrede im Schulalltag wahrgenommen zu haben. Für Lehrpersonen ist es unabdingbar, dieses Problem mit wissenschaftlich fundierten Präventions- und Interventionsstrategien anzugehen, um die eigene pädagogische Wirksamkeit zu steigern.
Hautfarbe, Herkunft und sexuelle Orientierung als Zielscheibe
Die Forschenden definieren Hassrede (Hate Speech) als eine spezifische Form der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Sie fördert bewusst Ausgrenzung und Abwertung bestimmter Gruppen. Die häufigsten Formen an Schulen sind beleidigende Witze (94 Prozent) und Gerüchte (84 Prozent). Als primäre Angriffsflächen dienen Hautfarbe und Herkunft (50 Prozent) sowie die sexuelle Orientierung (44 Prozent). Die Forschenden der PH Bern fragten Schülerinnen, Schüler und Lehrpersonen wie oft sie Hate Speech beobachten und erleben, wie sie darauf reagieren und wie die Hassrede jeweils mit verwandten Phänomenen wie Bullying und Diskriminierung im Zusammenhang steht. Es wurden rund 1300 Schülerinnen und Schüler im Zyklus 3 aus 22 deutschsprachigen Schulen, sowie fast 500 Lehrpersonen befragt.
Die Forschung identifiziert drei zentrale Ansatzpunkte für Lehrpersonen:
1. Verteidigerinnen und Verteidiger stärken
Eine positive Erkenntnis der Studie ist, dass fast die Hälfte der Schülerinnen und Schüler (47,3 Prozent) nicht einfach stille Zeugen von Hate Speech waren. Sie haben nach eigenen Angaben aktiv eingriffen, Lehrpersonen hinzugezogen oder die betroffene Person getröstet. Das macht sie zu sogenannten Verteidigerinnen und Verteidigern (Defenders).
Diese Erkenntnis sendet eine starke positive Botschaft: Fast die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler ist grundsätzlich bereit, sich aktiv für ein respektvolles Miteinander einzusetzen und gegen Ungerechtigkeit aufzustehen. Präventionsprogramme sollten genau da ansetzen und die potenziell hilfsbereite Mehrheit stärken. Ein positives Klassenklima und starke soziale Bindungen können die entscheidenden Faktoren sein, die diese Bereitschaft in tatsächliches Handeln umwandeln.
Ratschlag für Lehrpersonen: Etablieren Sie positive Klassennormen. Legen Sie klare, gemeinsam erarbeitete Regeln gegen Hassrede fest. Stärken Sie bei den Schülerinnen und Schülern gezielt Empathie und die Fähigkeit, andere Perspektiven einzunehmen. Nur wer sich in das Opfer hineinversetzen kann, ist motiviert, verteidigend zu handeln.
2. Desensibilisierung konsequent entgegenwirken
Wiederholtes Beobachten von Hassrede kann zu einer Desensibilisierung führen. Dies bewirkt, dass Hassreden zunehmend als normal empfunden werden und die Empathie sinkt. Tolerierte Hassrede fördert demnach aktiv Gleichgültigkeit. Bemerkenswerterweise sank gemäss Studie die Empathie nach der Beobachtung von Hassreden bei Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund nicht. Vermutlich empfinden sie aufgrund eigener Erfahrungen mehr Mitgefühl für Menschen, die Ziel von Hassrede sind.
Ratschlag für Lehrpersonen: Intervenieren Sie früh und konsequent bei jeder Äusserung, um deren Normalisierung zu verhindern. Sensibilisieren Sie die Schülerschaft für die verletzende Wirkung, indem Sie stets die Perspektive der Betroffenen in den Mittelpunkt stellen.
3. Sich des digitalen blinden Flecks bewusst sein
Lehrerinnen und Lehrer konzentrieren ihre Interventionen primär auf Offline-Vorfälle. Aber im Gegensatz zu Schülerinnen und Schülern nehmen Lehrpersonen Online-Vorfälle kaum wahr. Dadurch entsteht ein digitaler blinder Fleck. Dieses Kompetenz-Wahrnehmungs-Paradox muss adressiert werden.
Konkrete Strategien für Lehrpersonen und Schulleitungen: Thematisieren Sie Online-Hassrede aktiv im Unterricht zur Förderung der digitalen Medienkompetenz und etablieren Sie Strategien mit Eltern und externen Partnern, um den digitalen Raum in die Präventionsarbeit einzubeziehen.
Fazit: Eine Frage des Klimas
Hassrede an Schulen erfordert eine differenzierte und koordinierte Antwort. Das entspricht auch der LCH-Berufsethik. Diese betont die Wichtigkeit der Achtung der Menschenwürde und den Schutz vor Diskriminierung. Lehrpersonen können ein respektvolles Schulklima fördern, indem sie Verteidigende stärken, konsequent gegen Desensibilisierung vorgehen und auch auf Vorfälle im digitalen Raum reagieren.

