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Kommentar

Prekärer Fachpersonenmangel

Seit Beginn der Umsetzung der integrativen Schule vor gut zehn Jahren fehlt Fachpersonal. Nun hat sich die Situation nochmals deutlich verschärft. Dorothee Miyoshi, Mitglied der Geschäftsleitung LCH, fürchtet um die Qualität der Volksschule.

Die Politik hat es jahrelang verpasst, Massnahmen gegen den Lehrpersonenmangel zu ergreifen, schreibt Dorothee Miyoshi.

Es ist keine schöne Situation, zuschauen zu müssen, wie die Schweizer Volksschule einen immensen Qualitätsverlust erleidet. Seit Jahren fordern die kantonalen und nationalen Berufsverbände bessere und attraktivere Arbeitsbedingungen für alle Personen, die an der Schule einen pädagogischen Auftrag erfüllen. Leider wurden diese Weckrufe nicht genügend ernst genommen. 

Lehrermangel trotz «Schoggi-Beruf»

Die Lehr- und Fachpersonen haben doch einen «Schoggi-Beruf», meint ein Grossteil der Bevölkerung. Wenn dies so ist, wieso hat es in unserem Land nun einen derartig eklatanten Mangel an ausgebildetem Personal? Zurzeit werden in mehreren Kantonen verzweifelt Personen ohne pädagogische Ausbildung eingestellt, damit jede Klasse «betreut» werden kann. Dieser Mangel betrifft unterdessen in massiven Ausmass sowohl die Lehrpersonen als auch die Schulischen Heilpädagogen und Logopädinnen.

Dies bedeutet, dass vielerorts keine ausgebildete Klassenlehrperson unsere Kinder unterrichtet. Wie wenn dies nicht schon schlimm genug wäre, ist aber auch keine Schulische Heilpädagogin vorhanden, welche die speziellen Bedürfnisse fachgerecht unterrichten könnte. Und die Schülerinnen und Schüler, die ein Anrecht auf logopädische Unterstützung hätten, gehen leer aus. Es ist einfach niemand da, der dies unterrichte könnte.

Was gute Schule braucht

Auf Kosten der professionellen Ausbildung unserer Kinder hat die Politik jahrelang verpasst, die notwendigen Massnahmen zu ergreifen. Falls es den Politikerinnen und Politikern ernst ist mit einer guten Schulbildung für ihre Kinder, ist es nun allerhöchste Zeit, das Ruder herumzureissen und die notwendigen Schritte einzuleiten.

Wir brauchen weniger Pflichtlektionen, kleinere Klassen, adäquate Löhne, mehr pädagogisch-therapeutische Ressourcen, genügend ausgebildetes Fachpersonal, moderne Unterrichtsräume, genug Zeit für die Absprachen im multiprofessionellen Team und für den integrativen Unterricht taugliche Lehrmittel. Kurz: zeitgemässe Arbeitsbedingungen.

Falls dann wieder genügend junge Menschen den Lehrberuf als ihre Lebensaufgabe wählen, müssen die Kantone dafür sorgen, dass genügend Studienplätze an den heilpädagogischen und pädagogisch-therapeutischen Hochschulen zur Verfügung stehen, um die integrative Schule erfolgreich zu realisieren. Knausrigkeit und das Festhalten an veralteten Strukturen wie zum Beispiel eine starre Fachhochschulvereinbarung haben dies bisher verhindert. Unter diesen Fehlsteuerungen leiden nun unsere Kinder und auch die Lehr- und Fachpersonen.

Datum

03.05.2022

Autor
Dorothee Miyoshi

Publikation
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