Standpunkte

Sommercamps gegen den Lehrpersonenmangel

Personen ohne Diplom sollen den Lehrermangel entschärfen. Sommercamps an Pädagogischen Hochschulen sollen sie auf den Arbeitsalltag vorbereiten. Daniel Gebauer, Mitglied der Geschäftsleitung LCH, steht dem Angebot skeptisch gegenüber. 

Daniel Gebauer ist Mitglied der Geschäftsleitung LCH. Foto: LCH/Philipp Baer

Die Sommerferien haben endlich begonnen. Das ist normalerweise der Zeitpunkt, an dem sich Lehrerinnen und Lehrer nach einem intensiven und hektischen Schuljahresschluss eine Pause gönnen dürfen. Doch vor den Sommerferien ist nach den Sommerferien. In den Köpfen vieler Lehrpersonen drehen sich die Gedanken bereits wieder um den Schuljahresstart im August. Weiterbildungsveranstaltungen werden besucht, Absprachen getroffen und Unterrichtsräumlichkeiten eingerichtet. Soweit alles normal. Vielerorts herrscht jedoch Ausnahmezustand.

Etliche Stellen an Schulklassen konnten noch immer nicht besetzt werden. Eifrig, aber notdürftig wird nach Lösungen gesucht, damit zu Beginn des Schuljahres eine unterrichtende Person vor der Klasse steht.

«Wir stehen am Anfang eines grossen Experiments.»

Daniel Gebauer über den Einsatz von Personen ohne Diplom im Schulunterricht.

 

Offene Stellen mit ausgebildeten Lehrpersonen zu besetzen ist aber derzeit ein schwieriges Unterfangen. Aus diesem Grund müssen Schulleitungen oft auf Personen ausweichen, die aus einem anderen Berufsfeld stammen und möglicherweise noch nie unterrichtet haben. Obwohl diese Leute im besten Falle eine hohe Motivation aufweisen, über wertvolle Lebenserfahrung verfügen und im Umgang mit Kindern oder Jugendlichen eine besondere Begabung mitbringen, bereitet mir diese Vorstellung Sorgen. Kann das gut gehen?

Pädagogische Hochschulen haben die Problematik erkannt und bieten in den Sommerferien sogenannte Camps für ebendiese Zielgruppe an. In Wochenkursen werden die Grundlagen des Unterrichtens nähergebracht. Die Nachfrage ist gross und die Camps ausgebucht. Gelehrt wird alles von den Grundlagen des Lehrplans und der Unterrichtsplanung über die Beurteilung bis hin zur Elternarbeit.

Für eine Vertiefung bleibt keine Zeit, aber man hat zumindest alles schon mal gehört. Ich bin nicht sicher, was ich davon halten soll. Einerseits bin ich froh, dass überhaupt etwas unternommen wird, ganz nach dem Motto «besser als nichts». Andererseits weiss ich aber aus Erfahrung, dass die wirklichen Herausforderungen und Probleme erst im Schulalltag auftauchen. Hier sind es dann die erfahrenen Kolleginnen und Kollegen, die mit Rat und Tat aushelfen oder die Schulleitungen, die etliche Fragen zu beantworten haben.

Wir stehen am Anfang eines grossen Experiments und wissen nicht, wohin es führt. Das Risiko besteht, dass die Unterrichtsqualität und der ordentliche Schulbetrieb stellenweise gefährdet sind. Oberstes Ziel muss es deshalb sein, diese Berufseinsteigenden ohne Lehrdiplom mittelfristig dazu zu bringen, die ordentliche Ausbildung in Form eines Fach- oder Stufendiploms zu erwerben.

 

Der «Standpunkt» ist die monatliche Kolumne der Geschäftsleitungsmitglieder des LCH. Die Aussagen geben die persönliche Meinung der einzelnen Autorinnen und Autoren wieder.

Datum

18.07.2023

Autor
Daniel Gebauer

Publikation
Standpunkte