Alte Bilder und Vorurteile sind zäh, das zeigt sich exemplarisch am Beispiel des Kindergartens. Immer noch allzu oft wird diese Schulstufe von manchen unterschätzt und darum kleingeredet. Etwa wenn behauptet wird, zur Ausbildung von Kindergartenlehrpersonen brauche es kein Studium oder wenn die veraltete Drohung bemüht wird, dass «in der Schule dann ein anderer Wind weht». Warum halten sich diese alten Bilder und Vorurteile so hartnäckig?
Unterrichten ist kein Kinderspiel
Das mag zu einem grossen Teil an Missverständnissen liegen. Eines davon schwingt oft mit, wenn gesagt wird, dass man die Kinder im Kindergarten noch Kinder sein lassen soll. Bloss, was soll das heissen? Dass die Kinder nicht lernen und stattdessen spielen sollen? Grösser könnte das Missverständnis kaum sein, denn gerade im Spiel lernen die Kinder. Für den Lernfortschritt wichtig und hilfreich ist, wenn das Spielen von Pädagoginnen begleitet, angeleitet und angereichert wird. Um hierbei das richtige Mass und die passenden Momente oder Worte zu finden, braucht es Wissen über Entwicklung, Didaktik, Methoden und Lernsettings, über Psychologie und Kommunikation. Nur wer über Lernstrategien oder die Bedeutung des Raums und des Materials fundiert Bescheid weiss, kann diese Elemente auch gezielt einsetzen und darüber professionell reflektieren. Spezifisches Fachwissen ist unverzichtbar. Dafür braucht es eine fundierte, umfassende Ausbildung.
Ein weiteres Missverständnis ist, dass kleine Kinder einfacher zu führen wären. In dem Alter seien die Kinder ja noch «härzig», ist ein Spruch, der in diesem Zusammenhang oft zu hören ist. Unterschwellig bringt er zum Ausdruck, dass es vor allem ein grosses Herz brauche, um eine Gruppe von zwanzig Vier- bis Sechsjährigen zu unterrichten. In diesem Alter müssen viele Umgangs- und Verhaltensnormen erst noch gelernt werden und weil die Kinder diese noch nicht beherrschen, braucht es umso mehr Aufsicht, Überblick und Anleitung durch die Lehrperson. Zudem soll jedes einzelne der zwanzig Kinder gezielt sowie individuell gefördert und gefordert werden. Das macht eine sorgfältige Dokumentation und Planung genauso nötig wie ein gekonntes Classroom-Management und eine vorausschauende Unterrichtsplanung.
Arbeit mit kleinen Kindern wird unterschätzt
Die Arbeit mit kleinen Kindern wird politisch und gesellschaftlich immer noch massiv unterschätzt. Ein Missstand, der viele sogenannte «Frauenberufe» betrifft, nicht nur die Pädagoginnen und Pädagogen am Kindergarten. Zunehmend setzt sich aber die Erkenntnis durch, was diese Berufe leisten und welch grosse gesellschaftliche Bedeutung sie haben. Beispielhaft kann man das etwa in Zürich sehen, wo 2019 ein umfassender Bericht zum Kindergarten veröffentlicht und der Lohn der Kindergartenlehrpersonen ab Januar 2023 jenem der Primarlehrpersonen angeglichen wurde. Das zeigt: Die alten Bilder und Vorurteile bröckeln. Und das ist auch gut so. Es ist Zeit für die volle Anerkennung dieser wichtigen Schulstufe.